August 2014 - Kirche In
Missachtung von Domkapitel und Kirchenvolk
Immer wieder hat sich Franziskus für mehr Subsidiarität und Verantwortung der Ortskirchen ausgesprochen. Aber die aktuellen Bischofsbestellungen in Deutschland, die die Bischofskongregation im Namen von Franziskus vornimmt, stehen dazu im krassen Widerspruch. Sind die Seilschaften gegen den Kurs von Franziskus zu mächtig?
Fall 1: Nach Preußischem und Badischem Konkordat sind die „Dreier-Listen“ (Terna) zu „würdigen“, die die Domkapitel und Nachbarbischöfe nach Rom schicken. In Freiburg überging die römische Bischofskongregation alle drei vom Domkapitel genannten Kandidaten und setzte drei andere Personen auf die Terna, aus der das Domkapitel zu wählen hatte. „Machtspiele, Intrigen, Intransparenz“ titelte die Badische Zeitung. Zum dritten Mal in Folge düpierte die Kurie die zweitgrößte deutsche Diözese und korrigiert den vergleichsweise moderaten Kurs von Erzbischof Robert Zollitsch, der u.a. eine Handreichung für Wiederverheiratete hatte erstellen lassen und dafür von der Glaubenskongregation gemaßregelt worden war.
Fall 2: Genau fünf Wochen später der gleiche Skandal in Köln. Auch bei der Nachfolge von Kardinal Joachim Meisner missachtete die Bischofskongregation alle drei vom Kölner Domkapitel vorgeschlagenen Kandidaten und macht damit auch das vom Domkapitel öffentlich erbetene Meinungsbild bei den Priester- und Laiengremien nachträglich zur Farce. Anders als 1989 beim Wechsel Meisners von Berlin nach Köln mag diesmal rechtlich alles mit rechten Dingen zugegangen sein. Aber Rom will das größte deutsche und eines der finanzkräftigsten Bistümer weltweit fest unter Kontrolle behalten. Aus der von Rom erstellten Dreier-Liste wählte das Domkapitel den Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki, der hier bis 2011 Weihbischof war. Woelki hat an der Opus Dei-Universität promoviert, gibt aber an, kein Mitglied zu sein.
Meisner, ein Unterstützer des Opus Dei und Mitglied der römischen Bischofskongregation von 1995 bis 2013, hat mehrere deutsche Bischofsstühle mit seinen Weihbischöfen besetzen können. Kurz vor seiner Emeritierung sorgte er dafür, dass der ihm kirchenpolitisch nahe Münsteraner Bischof Felix Genn als sein Nachfolger und einziger Deutscher in die Bischofskongregation berufen wurde. Die wird seit 2010 von Kurienkardinal Marc Ouellet geleitet, den noch Papst Benedikt eingesetzt hat. Wenn diese Kongregation nun auch unter Franziskus weiter im Stile Benedikts verfährt und die Ortskirchen vor den Kopf stößt, so wird der Vertrauensvorschuss, den Franziskus noch genießt, sehr bald aufgebraucht sein.
Mitsprache und Mitentscheidung der Ortskirchen müssen endlich wieder die nötige Wertschätzung erfahren, die sie über viele Jahrhunderte kirchengeschichtlich und kirchenrechtlich hatten. Die Geheimdiplomatie bei Bischofsernennungen muss beendet werden. Die nächsten Testfälle in Deutschland sind Erfurt (seit bald zwei Jahren unbesetzt), Hamburg und die Nachfolge von Tebartz-van Elst in Limburg. Welche Rolle spielt da der noch neue Nuntius in Deutschland, Erzbischof Dr. Nikola Eterovic? Die Vorschläge des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, der Kölner Kircheninitiative, anderer Initiativen und auch der KirchenVolksBewegung hat er bislang alle ignoriert.
Statthalter Roms oder Hirten des Volkes?
Wenn die Bischofs-Rochaden durch Rom weiter Schule machen, sind noch ganz andere Spielzüge denkbar: Kardinal Reinhard Marx, der wohl schon von Paderborn und dann von Trier aus mit dem Kölner Bischofsstuhl liebäugelte, 2008 aber nach München versetzt wurde, könnte nach Berlin weiterwandern. Das Diaspora-Bistum ist zwar finanziell arm und zahlenmäßig klein, Marx bliebe damit aber mehr Zeit und Kraft für seine übergeordneten Aufgaben als Vorsitzender der Deutschen und Europäischen Bischofskonferenz sowie als Kardinal in Rom. Vor allem lockt Berlin aber mit der Nähe zur Politik und zu den Medien. Langfristig könnte der Umzug der deutschen Bischofskonferenz von Bonn, wo die Bischöfe damals die Nähe zur Bonner Republik suchten, nach Berlin folgen.
Für München käme dann der deutsche Erzbischof Georg Gänswein und langjährige Privatsekretär von Papst Benedikt XVI. in Frage, für den Rom schon lange eine neue Aufgabe zu suchen scheint. Nach eigener Einschätzung ist Gänswein wohl zu konservativ, um von einem deutschen Domkapitel gewählt zu werden. In München könnte der Vatikan aber Gänswein auch so einsetzen, denn nach bayerischem Konkordat haben die dortigen Domkapitel gar kein Wahlrecht.
Christian Weisner
Zuletzt geändert am 27.08.2014