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Veröffentlicht am 30­.06.2019

30.6.2019 - Rheinische Post

Papst-Brief an deutsche Bischöfe : Rückbesinnung auf die Wurzeln

Papst Franziskus hat sich in einem Brief an die deutschen Bischöfe kritisch zum synodalen Weg geäußert. Darin findet das Oberhaupt der katholischen Kirche mahnende Worte.

Dieser Brief aus Rom an die deutschen Bischöfe war vor Tagen schon angekündigt worden – als eine Art Begleitschreiben zum synodalen Weg, den Bischöfe und Laien zu wichtigen Reformfragen im Herbst gehen wollen. Die Frage war nur: Werden die Worte von Papst Franziskus eine Art Wegzehrung und Ermutigung sein? Oder vielleicht ein „Blauer Brief“, mit dem die katholische Kirche in Deutschland ermahnt werden soll, bei bedenklichen Entscheidungen etwa zum Weiheamt der Frau und dem zölibatären Leben der Priester auf keine allzu liberalen Ideen zu kommen?

Natürlich ist das Schreiben – das unserer Redaktion vorliegt – bei Lichte besehen keins von beiden. Dafür ist der 82-jährige Pontifex zu diplomatisch. Doch gerade in den Schlussfolgerungen muss man die päpstlichen Worte als Ermahnung verstehen. So heißt es darin unter anderem, dass die Synodalität „bewusst eine Art und Weise des Kirche-Seins“ ist, „bei dem das Ganze mehr ist als der Teil, und es ist auch mehr als ihre einfache Summe“.

Man dürfe sich danach nicht in Fragen verbeißen, die begrenzte Sondersituationen beträfen, sondern müsse immer den Blick weiten, um ein größeres Gut zu erkennen, das allen Nutzen bringt. Nach seinen Worten sei es daher „notwendig, die Wurzeln in den fruchtbaren Boden zu senken und in die Geschichte des eigenen Ortes, die ein Geschenk Gottes ist“. Man arbeitet im Kleinen, mit dem, was in der Nähe ist, jedoch mit einer weiteren Perspektive.

Die Hinweise, sich der Wurzeln der katholischen Kirche zu besinnen und das Ganze im Blick zu bewahren, dürfen als deutliche Signale verstanden werden. Stärker fällt die Formulierung „begrenzte Sondersituationen“ ins Gewicht. Profaner formuliert: Auch die katholische Kirche in Deutschland bleibt ein Teil der Weltkirche und habe sich mit den drängenden Fragen nach einer Reform etwa des Weiheverständnisses dem Ganzen zu fügen. Für die anstehenden Beratungen sind das – freundlich gesprochen – Leitplanken. Man kann es aber auch als römische Vorgaben beschreiben.

Um dies abzumildern, geht Papst Franziskus eingehender auf die katholische Kirche in Deutschland ein und rühmt zunächst das feine „Netzwerk“ der Kirchenstruktur hierzulande, die Bemühungen um Ökumene, die großen Theologen, die treuen Dienste von Ordensfrauen, Ordensmännern und Laien. „Die katholischen Gemeinden in Deutschland in ihrer Diversität und Pluralität sind weltweit anerkannt für ihr Mitverantwortungsbewusstsein“, schreibt Franziskus. Aber, auch das muss der Papst „schmerzlich“ registrieren: „die zunehmende Erosion und den Verfall des Glaubens mit all dem, was dies nicht nur auf geistlicher, sondern auch auf sozialer und kultureller Ebene einschließt“.

Der synodale Weg wird in seiner Wahrnehmung also in Zeiten der Glaubenskrise eingeschlagen. Das scheint die Reformbemühungen suspekt zu machen: „Deshalb kann der bevorstehende Wandlungsprozess nicht ausschließlich reagierend auf äußere Fakten und Notwendigkeiten antworten, wie es zum Beispiel der starke Rückgang der Geburtenzahl und die Überalterung der Gemeinden sind, die nicht erlauben, einen normalen Generationenwechsel ins Auge zu fassen.“ Objektive und gültige Ursachen würden jedoch, werden sie isoliert vom Geheimnis der Kirche betrachtet, eine lediglich reaktive Haltung – sowohl positiv wie negativ – begünstigen und anregen.

Der Brief des Papstes mit dem harmlosen Titel „An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“ war offenbar schon zu Wochenbeginn durch den Vatikan-Botschafter in Deutschland, Nuntius Nikola Eterovic, dem Ständigen Rat der Bischöfe in Berlin überbracht worden. Folglich gab es pünktlich zur Veröffentlichung am Wochenende bereits erste Stellungnahmen. In einer gemeinsamen Entgegnung vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Professor Thomas Sternberg, heißt es diplomatisch: „Papst Franziskus möchte die Kirche in Deutschland in ihrer Suche nach Antworten auf die uns alle bewegenden Fragen für eine zukunftsfähige Gestalt der Kirche unterstützen. Wir werden diesen Brief zur Orientierung unseres gemeinsamen Handelns aufgreifen und ihn auf dem synodalen Weg intensiv bedenken.“

Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki lobte den Papstbrief. „Der Papst spricht mir aus dem Herzen“, sagte Woelki laut Pressedienst des Erzbistums Köln. Besonders beeindruckt habe ihn der Hinweis auf die Evangelisierung. „Wir müssen eine missionarische Kirche sein und dürfen nicht auf den perfekten Apparat schauen, sondern auf Christus, unseren auferstandenen Herrn“, so Woelki weiter.

Auch der Aachener Bischof Helmut Dieser nahm die päpstlichen Hinweise zum Anlass, seine Skepsis zu möglichen Erträgen des synodalen Weges verlauten zu lassen: „Mich beeindruckt weiterhin, wie deutlich der Heilige Vater die Gefahren beschreibt, die den Weg der Synodalität begleiten und ihn um seine Frucht­barkeit bringen können. Deshalb sehe ich in seinen Ausführungen auch eine Einladung und Anleitung zu immer neuen geistlichen Übungen, um gemeinsam den Versuchungen zu entgehen, die das synodale Vorangehen bedrohen.“

Vor einer Sackgasse der anstehenden Beratungen warnte indes die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“. So seien nach „den lange verweigerten Reformen und erst recht nach der jahrzehntelang vertuschten sexualisierten Gewalt innerhalb der eigenen Kirche grundlegende Reformen unabdingbar“, hieß es mit dem Verweis auf den „Gesprächsprozess“ zwischen Bischöfen und Laien, den man 2011 begonnen und nach vier Jahren ergebnislos abgebrochen hatte.

Der Brief erreicht die katholische Kirche in Deutschland wenige Tage vor der ersten gemeinsamen Konferenz, auf der Bischöfe und Laien das weitere Vorgehen besprechen. Eine erste große Runde soll dann Mitte September mit etwa 80 Teilnehmern tagen. Zuletzt hatten sich einige, dem konservativen Flügel zugerechneten Bischöfe – wie der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer und der scheidende Augsburger Bischof Konrad Zdarsa – kritisch zum synodalen Weg geäußert, der noch im März auf der Vollversammlung der Bischöfe mit vier Enthaltungen in Lingen beschlossen wurde.

https://rp-online.de/kultur/papst-franziskus-brief-an-die-deutschen-bischoefe-zum-synodalen-weg_aid-39775501

Zuletzt geändert am 03­.07.2019