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Veröffentlicht am 29­.05.2016

29.5.2016 - Wochenblatt (Regensburg)

Regensburger im Gespräch mit Bundestagspräsident Lammert auf dem Katholikentag in Leipzig

"Wir sind Kirche"

Bildunterschrift: Eine Stunde zu Gast war der Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert im Leipzig am Jakobsbrunnen bei der bundeswe
iten Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche".


Sein großes religiöses Anliegen "Ökumene – jetzt" war das Thema. Zusammen mit vielen anderen Prominenten setzt sich Lammert dafür ein, dass 500 Jahre Reformation 2017 und 50 Jahre 2. Vatikanisches Konzils nicht wieder spurlos an den beiden großen christlichen Kirchen vorbei gehen: "Weil uns Gott in der Taufe Gemeinschaft mit Jesus Christus geschenkt hat, sind Getaufte als Geschwister miteinander verbunden. Sie bilden als Volk Gottes und Leib Christi die eine Kirche, die wir in unserem Credo bekennen. Deshalb ist es geboten, diese geistliche Einheit auch sichtbar Gestalt gewinnen zu lassen." Johannes Grabmeier moderierte dieses Gespräch mit dem Bundestagspräsidenten auf der Kirchenmeile des Katholikentags.

Engagiert erläuterte Lammert dabei seine Positionen: Man wolle nicht Versöhnung bei Fortbestehen der Trennung, sondern gelebte Einheit im Bewusstsein historisch gewachsener Vielfalt. Er zeigte sich überzeugt, dass die theologischen Gründe, institutionellen Gewohnheiten, kirchliche und kulturelle Traditionen nicht mehr als Begründung ausreichen, um die Kirchenspaltung fortzusetzen. Offensichtlich sei, dass katholische und evangelische Christen viel mehr verbindet als unterscheidet. Grabmeier wies darauf hin, dass man sich schon seit 1999 bei der Rechtfertigungslehre mit einer gemeinsamen Erklärung geeinigt hatte. Auch die Fragen und verschiedenen Auffassungen zum Eucharistie- und Abendmahlsverständnis sind i.w. ausgeräumt, so dass auch hier eigentlich kein Hindernis mehr besteht. Unterschiedliche Positionen gäbe es letztlich nur noch beim Amtsverständnis und damit auch beim Kirchenverständnis. Aber auch hier gibt es unterschiedliche Meinungen bei der römisch-katholischen Kirchenleitung und bei vielen im Kirchenvolk. Lammert betonte mehrmals, dass diese Unterschiede die Aufrechterhaltung der Trennung nicht rechtfertigten. Welche konkreten Schritte, außer das jeder einzelen wo immer möglich selbst entsprechend handle, dieses wichtige Anliegen voranbrächten, dazu wusste auch der Bundestagspräsident keinen Königsweg. Sein Anliegen, bereits 2011 beim Besuch von Papst Benedikt XVI. im Bundestag formuliert, blieb damals ohne sichtbare Resonanz.


Nach diesem Gespräch sprach Grabmeier beim Bundestagspräsidenten noch ein ganz anderes Thema an: Bei der letzten Bundestagswahl hatte der Stimmenanteil der wegen der Fünf-Prozent-Hürde verlorengegangenen Stimmen mit 15,7 Prozent einen neuen Rekordstand erreicht. Diese Tatsache ist verfassungsrechtlich eigentlich nicht mehr tolerabel. Das Bundesverfassungsgericht formulierte, dass bei solchen besonderen Umständen, die ein Quorum von Fünf-Prozent-Hürde unzulässig werden lassen, der Bundestag dem Rechnung zu tragen hat. Das 1. Deggendorfer Bürgerforum für lebendige Demokratie und Toleranz hat dazu eine Idee entwickelt. Es wird dazu die Fünf-Prozent-Hürde abgeschafft und dafür – gleichsam negiert – eine 95-Prozent-Schwelle für die im Bundestag durch Sitze repräsentierten Parteien eingeführt werden. Dazu werden die Parteien nach ihren Zweitstimmenanteilen der Größe nach absteigend gereiht und diese Anteile kumuliert. Die Partei, die als letzte dazu beiträgt, dass mindestens 95 Prozent der Stimmen erreicht werden, ist die kleinste Partei, die noch Mandatszuteilungen erfährt. Alle anderen - deren Anteilsumme ist dann kleiner als fünf Prozent – scheitern damit an einer kumulativen Fünf-Prozent-Hürde. Umgekehrt ist aber auch klar, dass jede Partei, die mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen erreicht, im Bundestag vertreten ist. Grabmeier überreichte Lammert die Ausarbeitung dieser Idee. Der Bundestagspräsident sagte zu, dieses Dokument intensiv zu studieren.

Autor: pm / uh

http://www.wochenblatt.de/nachrichten/regensburg/regionales/Regensburger-im-Gespraech-mit-Bundestagspraesident-Lammert-auf-dem-Katholikentag-in-Leipzig;art1172,371844

Zuletzt geändert am 29­.05.2016