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Veröffentlicht am 15­.02.2007

15.2.2007 - Spiegel online

CSU-Ärger über Kardinal Meisner

Von Sebastian Fischer , München

Mit seinen Attacken auf Bundesagrarminister Seehofer im Rennen um den CSU-Vorsitz provozierte der Kölner Kardinal Meisner Empörung bei Christsozialen. Denn in der CSU fürchtet man die Mobilisierung der strammen Katholiken auf dem Land.

München - Es war ein katholisches Donnerwetter aus dem Rheinland: "Wie will er denn Vorsitzender einer christlichen Partei werden? Wie weit sind wir eigentlich gekommen?", wetterte der Kölner Erzbischof Joachim Meisner über Horst Seehofer.

Kölner Erzbischof Meisner: Unversönliche Attacke? Der Bundesagrarminister möchte gern Vorsitzender der CSU werden. Und weil das "C" in deren Akronym für "christlich" steht, Seehofer aber angeblich einer außerehelichen Affäre nachgeht, glaubte sich der Kölner Kardinal in der ortsänsassigen Boulevardzeitung "Express" damit befassen zu können.

Im ferndiagnostischen Versuch fragte der Kardinal den Minister, ob er vielleicht "eine gespaltene Persönlichkeit" habe. Wenn dem so sei, so das Urteil des Hirten vom Rhein über den katholischen Ingolstädter aus Oberbayern, sei der "schizophren und gehört zum Arzt, aber nicht auf einen Ministersessel".

CSU-"Empfehlung" an den Kardinal: Matthäus 7,5

Das saß. Während Horst Seehofer sich zu den Attacken nicht äußern wollte, reagierte man in der Christenunion verärgert: CSU-Vordenker und Landtagspräsident Alois Glück sagte, über den Parteivorsitz entschieden die Delegierten des CSU-Parteitags und "die Christen in der CSU in ihrer Verantwortung". Er persönlich "halte die Art, wie Kardinal Meisner sich geäußert hat, nicht für angemessen", sagte der als gläubiger Katholik bekannte Glück.

"Private Lebensweise und politisches Handeln sind zwei Paar Stiefel", sagte Walter Eykmann, katholischer Kirchensprecher der CSU-Fraktion, zu SPIEGEL ONLINE. Er empfehle "dem Herrn Kardinal Meisner", Matthäus 7, Vers 5 in der Bibel nachzulesen: "Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach sieh zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst." Eykmann weist exemplarisch auf den Fall des wegen Geheimdienst-Aktivitäten zurückgetretenen Warschauer Erzbischofs Stanislaw Wielgus hin. "Als Teil der Weltkirche" müsse sich Kardinal Meisner da "schon fragen lassen".

Heißt: Kehrt vor Eurer eigenen Tür! Die CSU verbittet sich Einmischungen des Klerus in ihre Angelegenheiten. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer im "Münchner Merkur": Eine Partei "würde sich davor hüten, sich in Berufungsverfahren von Bischöfen oder Kardinälen einzumischen".

Christsoziale Phalanx für Seehofer

Der Bundestagsabgeordnete Georg Fahrenschon, Vize-Chef der CSU-Grundsatzkommission, sagte derselben Zeitung, die Partei und ihre Delegierten könnten "sehr gut abwägen zwischen den Schwierigkeiten, die das Leben für jeden von uns bereithalten kann, und dem Anspruch, den jemand als Parteivorsitzender zu erfüllen hat". Es sei nicht die Aufgabe der Amtskirche, "sich in Personalentscheidungen einzumischen".

Diese christsoziale Spitzen-Phalanx für Horst Seehofer ist möglicherweise auch mit der Befürchtung zu erklären, die katholische Basis könnte den Worten des Kardinals folgen. Das würde dann nicht nur negativ auf Seehofer, sondern auf die Gesamtpartei durchschlagen. Traditionell ist die CSU bei den Katholiken überproportional stark, außerdem gelten die sonntäglichen Kirchgänger als ihre treueste Anhängerschaft: Bei der bayerischen Landtagswahl 2003 gaben 78 Prozent der Kirchgänger an, CSU zu wählen.

Seehofer gilt als Gefährdung für dieses Potenzial: Aus den ländlichen Gebieten Bayerns berichten die CSU-Kader seit Wochen vom Ärger über dessen "Scheinheiligkeit". "Wenn's doch nur ein anderer wäre, aber der Horst hat doch immer so auf Glaubwürdigkeit gesetzt", heißt es.

Seehofer galt bis zur "Bild"-Enthüllung über seine angeblich schwangere Berliner Geliebte Mitte Januar im Parteivolk als überaus aufrichtig. Unter anderem deshalb, weil er in seiner ablehnenden Haltung gegenüber Plänen einer Kopfpauschale im Gesundheitssystem 2004 standhaft geblieben war. Höhere CSU-Funktionäre sahen das allerdings immer anders: "Der Horst kann in einer Woche zwei konträre Positionen mit derselben Glaubwürdigkeit vertreten", sagte einer.

"Den rechten Rand des Katholizismus befriedigt"

CSU-Kirchensprecher Eykmann vermutete im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE, dass Kardinal Meisner mit seiner Seehofer-Attacke "sehr wohl den rechten Rand des Katholizismus befriedigt". Allerdings werde er bei "weiten Teilen der katholischen Gläubigen mit einer derartig unversöhnlichen Attacke keine Wirkung erzielen", so Eykmann.

Die bayerischen Bischöfe kritisierten Seehofer im Gegensatz zum Kölner Glaubensbruder nur abstrakt und über ihre Sprecher: Bambergs Erzbischof Luwig Schick ließ in der "Süddeutschen Zeitung" die "zunehmende Salonfähigkeit von außerehelichen Beziehungen und Seitensprüngen" anprangern, ein Sprecher des in Seehofers Heimatdiözese Eichstätt amtierenden Bischofs Gregor Maria Hanke erklärte, Ehe und Familie stellten hohe Werte dar. Wie SPIEGEL ONLINE aus verschiedenen Bistümern erfuhr, werden die Einlassungen von Kardinal Meisner zwar als in der Sache richtig, doch unangebracht interpretiert: "Das geht uns nichts an", heißt es.

Die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" hingegen ging den Kölner Kardinal offensiv an: Es sei merkwürdig, "wenn just im Karneval ein Kardinal aus dem fernen Köln über ein Boulevardblatt versucht, sich in die bayerische Landespolitik einzumischen und eine Debatte über die Moral in der Politik anzuzetteln", so Sprecher Christian Weisner zu SPIEGEL ONLINE.

Natürlich brauche es "Glaubwürdigkeit, Moralität und Vorbilder" in der Politik, doch sei die "Fokussierung auf eine individualisierte (Sexual-)Moral einseitig". Dies verstärke nur "alte Kirchenklischees, solange nicht die Kirchen in ihrem christlichen Auftrag genauso deutlich die Moralität wirtschaftlicher und politischer Entscheidungen hinterfragen, anstatt nur einen sozial orientierten Politiker an den Pranger zu stellen", so Weisner.

Parteiinterne Kritik an Seehofer kam heute per "Bild" von Barbara Lanzinger, Vorstandsmitglied der bayerischen Frauen-Union: Sie verurteile das Privatleben von Seehofer zwar nicht, "aber die Wähler dürfen von einem CSU-Chef erwarten, dass Reden, Denken und Handeln übereinstimmen", so Lanzinger.

Zuletzt geändert am 16­.02.2007