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Veröffentlicht am 16­.10.2013

16.10.2013 - Publik-Forum - online

Weisner: Querschuss aus Limburg

von Britta Baas

Der Finanzskandal des Bistums Limburg setzt den Papst unter Zugzwang: Lässt er Tebartz-van Elst im Amt, braucht er dafür eine sehr gute Erklärung, um nicht wortbrüchig zu erscheinen. Denn Franziskus gilt Kirchenreformern als Befreier aus fünf Jahrzehnten katholischer Irrwege – und aus einer schweren deutschen Kirchenkrise. Sieben Fragen an Christian Weisner von der Bewegung »Wir sind Kirche«.

Herr Weisner, Franz-Peter Tebartz-van Elst hat sein Schicksal als Bischof in die Hände des Papstes gelegt. Wie wird die Entscheidung über den »Fall Limburg« im Vatikan ausfallen?

Christian Weisner: Die Entscheidung kann eigentlich nur sein, dass der Vatikan einen personellen Neuanfang für das Bistum Limburg beschließt. Und ich kann nur hoffen, dass Tebartz-van Elst gute Berater findet, die sich auch um ihn persönlich kümmern. Für den Papst ist das eine sehr delikate und ärgerliche Situation. Jetzt, wo endlich wieder Hoffnung besteht, die Kirchenleitungskrise zu bewältigen, kommt ein Querschuss aus der deutschen Kirche.

Margot Käßmann, evangelische Bischöfin a.D., konnte 2010 nach ihrer Alkoholfahrt von sich aus schnell und autonom ihren Rücktritt erklären. In der römisch-katholischen Kirche kann ein Bischof nicht von sich aus gehen, er braucht dafür die Genehmigung des Papstes. Ein Strukturfehler?

Weisner: Ja. Ein römisch-katholischer Bischof ist nicht dem Kirchenvolk rechenschaftspflichtig, sondern nur Gott und dem Papst. Bischöfe dieser Kirche werden »von oben« in ihr Amt eingesetzt und können auch nur von oben abgesetzt werden. Dieser »Strukturfehler«, wie Sie das nennen, ist Absicht, damit bloß nie das Machtgefüge auf dem Spiel steht. Umso wichtiger ist es in Zukunft, dass viel genauer geprüft wird, wer Bischof werden soll. Ebenso wichtig ist es, das Kirchenvolk an dieser Auswahl zu beteiligen.

Seit wenigen Monaten ist Papst Franziskus im Amt, und die Bewegung »Wir-sind-Kirche« ist offenbar begeistert von ihm. »Kompromisslos« sei sein Reformkurs, heißt es; er sei ein »Vorbild«. Man wolle ihn »unterstützen und »den starken Widerständen ebenso stark widerstehen«. Macht der Mann denn einfach alles richtig?

Weisner: »Wir sind Kirche« ist bereit, seinen Reformkurs zu unterstützen –, aber nur, wenn er kompromisslos ist. Und wir müssen den noch starken innerkirchlichen Widerständen entgegenwirken. Aber wir merken jetzt schon, dass es sich gelohnt hat, 18 Jahre »Wir-sind-Kirche« durchzuhalten. Dieser Papst lässt zentrale Momente des Zweiten Vatikanischen Konzils wieder lebendig werden. Und den Katakombenpakt, in dem sich Bischöfe aus aller Welt damals versprachen, arm unter Armen leben zu wollen, eine »Kirche der Armen« zu fördern. Jetzt haben wir einen Papst, der das auch will! Mit ihm haben wir endlich die Chance, Kirche in der Spur des Zweiten Vatikanischen Konzils zu werden. Franziskus hat schon jetzt das Klima zugunsten der Wertschätzung der Gläubigen, zugunsten des Dialogs, zugunsten der Dezentralisierung der Kirche beeinflusst. Aber dieser Klimawandel muss möglichst schnell kirchenpolitisch und theologisch untermauert werden, damit ein nächster Papst ihn nicht wieder mit einem Federstrich rückgängig machen kann.

Aber Franziskus macht keine Anstalten, Papiere zu ändern, theologische Neuerungen grundlegender Art zu diskutieren und zu fixieren. Rechnen Sie noch ernsthaft damit?

Weisner: Jede Veränderung fängt im Kopf und im Herzen an. Sie können sicher sein: Die Zeichen des Papstes werden verstanden. Er nutzt für seine Botschaften nicht das alte Mittel der Enzykliken, sondern das neue der Interviews und der öffentlichen Statements. Er geht damit nicht zuerst in den Osservatore Romano, also in die Vatikanzeitung, sondern zum Beispiel in die Jesuitenzeitschriften weltweit und erreicht damit die globale theologische Elite. Er geht in die liberale italienische Zeitung La Repubblica, in ein großes weltliches Medium. Und was dort steht, wird dann im Osservatore Romano nachgedruckt. Ein solches Verhalten ist für einen Papst völlig neu. Und dann: sein politisches Auftreten! Was er in Lampedusa zur dramatischen Lage der Flüchtlinge zu sagen hatte, wurde weltweit gehört. Trotzdem bleibt richtig: Wir brauchen auch strukturelle Veränderungen in der katholischen Kirche. Da dieser Papst aber den Klerikalismus und Triumphalismus anklagt, den wir gerade im Bistum Limburg erleben, habe ich Hoffnung, dass es auch strukturelle Veränderungen geben wird.

Die Hoffnung auf den Papst und sein kirchenveränderndes Potenzial heißt doch nichts anders als: Ein »guter Vater« in Rom ist die halbe Miete. Franziskus scheint eine Art Wiedergänger Johannes XXIII. zu sein, der unter italienischen Katholiken eben jenen liebevollen Spitznamen trug: »Papa buono.« Vor und zwischen diesen beiden Päpsten waren aber andere am Ruder, die ganz andere Ideale und Ideen hatten. Ist das ewige Hoffen auf den guten Papa in Rom nicht ziemlich nervtötend?

Weisner: Es gibt diese Sehnsucht nach einem gütigen, barmherzigen Vater, die der Sehnsucht nach einem gütigen und barmherzigen Gott entspricht. Ich persönlich denke auch: Eine Stimme mit Autorität zu haben, auf die weltweit gehört wird, ist ein großes Plus. Eine solche Stimme ist neben dem Papst zum Beispiel der Dalai Lama. Und eine solche Stimme war zu seiner Zeit auch Johannes XXIII., der nur knapp fünf Jahre im Amt war. Er hat das Zweite Vatikanische Konzil eröffnet, die Kollegialität der Bischöfe gestärkt, das Kirchenvolk enorm aufgewertet. Dass Vieles nach seinem Tod wieder rückgängig gemacht wurde, dass insbesondere die Reform des katholischen Kirchenrechts im Jahr 1983 einen Roll-back brachte, ist tragisch. Mit Franziskus haben wir jetzt eine neue Chance – vielleicht die letzte –, dass die katholische Kirche die Kurve kriegt. Franziskus braucht dafür kein neues Konzil einzuberufen, weil das alte Konzil ja noch nicht wirklich umgesetzt worden ist. Wir haben die Baupläne dieses Zweiten Vatikanischen Konzils – die natürlich fortgeschrieben werden müssen, gerade im Blick auf die Rechte der Frauen in der Kirche –, wir müssen sie nur umsetzen.

Aber auch das Zweite Vatikanische Konzil hat sich nicht vom hierarchischen Bauplan der römischen Kirche verabschiedet. Im Bistum Limburg sieht man gerade wieder, welche Folgen das hat: Nur Rom kann in dieser Krise entscheiden. Viele Katholikinnen und Katholiken sind mittlerweile einfach nur noch erschöpft. Sie sehnen eine Erlösung durch den guten Vater im Vatikan herbei. Empfinden Sie das nicht als Mitbestimmungs-Katastrophe?

Weisner: Ich bin davon überzeugt, dass es auch aus vatikanischer Sicht absolut ärgerlich ist, dass wir das Limburg-Problem nicht vor Ort lösen können. Jetzt sind die Römer gezwungen zu sondieren: Ist die Seilschaft der Bischöfe Müller-Meisner-Voderholzer noch aktiv? Wie viel Macht hat diese Seilschaft? Ist sie einflussreich genug, um die Absetzung von Tebartz zu verhindern? Das Zweite, was den Vatikan nun beschäftigen wird: Tebartz-van Elst stellt mit seinem Verhalten im Grunde das ganze deutsche Kirchenfinanzierungssystem in Frage. Denn jetzt ist öffentlich geworden, dass katholische Bischöfe in diesem Land über teils unermessliche Reichtümer verfügen können, die am jeweiligen Bischöflichen Stuhl angesammelt wurden. Dass andere deutsche Bischöfe nicht viel früher gesagt haben, dass es in Limburg nicht so weitergehen kann, dass der Vermögensverwaltungsrat des Bischofs jahrelang geschwiegen hat, dass der Hofheimer Kreis kritischer Priester im Bistum nicht noch lauter gegen das Gebaren von Tebartz protestiert hat –, das alles sind Punkte, von denen ich sage: Sie hätten Mitbestimmung bedeutet. Eine Mitbestimmung, die nicht wahrgenommen wurde.

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Zuletzt geändert am 28­.11.2013