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Veröffentlicht am 20­.09.2013

20.9.2013 - oberpfalznetz.de

Papst warnt vor zu viel moralischem Zeigefinger

Papst warnt vor zu viel moralischem Zeigefinger Franziskus sorgt für Aufsehen: Menschen wichtiger als die reine Lehre

Vatikanstadt. (KNA/dpa) "Wer ist Jorge Mario Bergoglio? Ich bin ein Sünder. Das ist die treffendste Definition." So beginnt eines der wohl bemerkenswertesten Interviews, das ein Papst je gegeben hat: Das Gespräch von Franziskus mit dem Chefredakteur der Jesuiten-Zeitschrift "Civilta Cattolica" sorgte weltweit für Aufsehen. Selten hat ein Papst so offen über sich selbst und die katholische Kirche gesprochen.

Das erste große Interview von Papst Franziskus schlägt hohe Wellen: Er wirbt für ein Klima der Offenheit in der Kirche und plädiert für weniger rigorosen Moralismus.

Eine Kernbotschaft des Papstes: erst der Glaube, dann die Moral. Die katholische Kirche hat nach seiner Meinung in der jüngsten Vergangenheit den moralischen Zeigefinger überstrapaziert und darüber bisweilen den Blick für das Wesentliche verloren: die Verkündigung des Evangeliums. "Wir können uns nicht nur mit der Frage um Abtreibung befassen, mit homosexuellen Ehen, mit Verhütungsmethoden." Es brauche ein "neues Gleichgewicht" zwischen Glaubensverkündigung und moralischer Unterweisung. Dabei stellt der Papst die moralischen Grundsätze nicht in Frage. Er habe sich in seinem Pontifikat bislang nur selten zu diesen Themen geäußert. Die Ansichten der Kirche seien hinreichend bekannt, und er sei "ein Sohn der Kirche", so der Papst: "Man muss nicht endlos davon sprechen." Franziskus sagt nicht, dass bestimmte Auffassungen zu moralischen Fragen überdenkenswert, überholt oder gar falsch seien. Vielmehr: "Die Lehren der Kirche - dogmatische wie moralische - sind nicht alle gleichwertig." Konkret: Die Lehre, dass Jesus Gottes Sohn ist, hat einen anderen Stellenwert als die Frage künstlicher Empfängnisverhütung. Franziskus macht in dem Interview einmal mehr deutlich, dass für ihn der konkrete Mensch und sein Schicksal stets an erster Stelle steht - vor der reinen Lehre. Das letzte Wort in moralischen Fragen gehört nach seiner Auffassung dem Seelsorger und nicht dem Glaubenshüter oder Kirchenrechtler.

Italienische Zeitungen werteten die Aussagen als "revolutionär". Auch die Laienorganisation "Wir sind Kirche" begrüßte das Interview. "Bergoglio leitet einen Erneuerungsprozess sein", sagte der Sprecher Christian Weisner. "Erweist darauf hin, dass die Kirche mehr ist als eine Moral-Instanz, die Verbote ausspricht." Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, zeigte sich begeistert. "Franziskus ist der Wegbereiter einer angstfreien Kommunikation in der Kirche. Das kann man gar nicht hoch genug schätzen."

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Zuletzt geändert am 21­.09.2013