| |
Veröffentlicht am 31­.05.2013

31.5.2013 - Süddeutsche Zeitung

Judenwitze im Priesterseminar

Junge Theologen sollen in Würzburg rechtes Gedankengut verbreitet haben – die Wahrheitsfindung ist schwierig

VON OLAF PRZYBILLA

Würzburg – Anfang Mai hat Herbert Baumann, der Regens des Würzburger Priesterseminars, von den Vorwürfen erfahren. Diffus war das, was ihm da aus verschiedenen Quellen zu Ohren kam, aber alle Geschichten drehten sich im Kern um dasselbe Thema: mögliche rechtsradikale Umtriebe am Priesterseminar in der Domstadt. Von einer angeblichen Feier zu „Führers Geburtstag“ war da die Rede, von rechtslastiger Musik und Judenwitzen, die von Studenten in kleiner Runde erzählt worden sein sollen und in denen es um Konzentrationslager ging. Judenwitze am Seminar zur Ausbildung katholischer Geistlicher? „Fassungslos“, sei er gewesen, sagt der Regens, „und dann wütend“.

Der Seminarleiter hat die Vorwürfe offenbar ernst genommen, er hat die Studenten in Gruppen und einzeln angehört. Die meisten der Vorwürfe ließen sich „nicht verifizieren“, sagt Baumann, aber er ergänzt, dass sie eben auch schwer aus der Welt zu schaffen seien. Eine Feier zu Hitlers Geburtstag? Es habe eine Veranstaltung am 20. April im Bierkeller des Seminars gegeben, das sei sicher. Es werde aber von den Studenten heftig bestritten, dass diese Feier aus Anlass von „Hitlers Geburtstag“ ausgerichtet worden sei. Nicht bestritten werde dagegen, dass am Morgen des 20. Aprils ein Priesteranwärter in kleiner Runde angemerkt habe, „dass doch heute Hitlers Geburtstag ist“. Regens Baumann klingt aufgewühlt, als er davon erzählt. Sind Judenwitze erzählt worden, in denen Konzentrationslager eine Rolle spielen? „Das wird nicht bestritten“, sagt der Regens.

Hinweise habe er aus einer studentischen Verbindung bekommen, in der zwei seiner Seminaristen Mitglied seien. Er sei darauf aufmerksam gemacht worden, dass „es da eine Entwicklung gibt, dass es nicht mehr passt“. Aber auch aus dem Seminar heraus gab es Hinweise. Nur ließen sich diese eben schwer verifizieren.

Es gibt ein Schreiben des Regens an die Priesteranwärter vom vergangenen Montag, in dem Baumann seiner „Sorge um das Ansehen des Priesterseminars und seiner Alumnen“ Ausdruck verleiht. „Wir können nicht bestreiten“, schreibt der Regens den Studenten, „dass einige wenige Alumnen bei unterschiedlichen Gelegenheiten (bereits im Wintersemester) Judenwitze erzählt haben, die rassen- und menschenverachtenden Charakter“ hätten. Ebenso müsse man eingestehen, dass „ein Alumnus an einem Konzert der Band Frei.Wild teilgenommen“ habe, der rechtslastiges Gedankengut vorgeworfen werde. Die Behauptung aber, Alumnen schwärmten für Uniformen aus dem Dritten Reich und hätten den Paradeschritt der Wehrmacht nachgeahmt, werde inzwischen nicht mehr geäußert. Auch sei auf einer im Bierkeller abgespielten CD kein Hakenkreuz abgebildet gewesen, sondern „die Deutschlandflagge“. Diese CD sei frei im Handel erhältlich.

Die Wahrheitsfindung im Seminar beschreibt der Regens als schwierig. Beim gemeinsamen Gespräch hätten sich manche mit „Freunden und Sympathisanten verbündet“, andere hätten Forderungen nach „Bekenntnissen“ erhoben, Dritte sich nur mit leiser Stimme geäußert. Er, der Regens, könne die Ängste verstehen.

Es gibt noch einen zweiten Brief, er richtet sich an den Regens und stammt vom Würzburger Generalvikar Karl Hillenbrand. Er hat selbst schon das Seminar geleitet und findet klare Worte. Wenn es stimme, dass „sogenannte ,Judenwitze‘ erzählt werden und bei Feiern im Bierkeller bzw. auf Verbindungszusammenkünften an Nazirituale angelehnte ,Zeremonien‘ stattgefunden haben“, so sei dies nicht zu tolerieren, schreibt der Generalvikar. Es gebe keine harmlosen Judenwitze. Zur Befähigung künftiger Priester gehöre ein Gespür für andere Religionen. Fehle es daran, sei jemand „für den Priesterberuf nicht qualifiziert“. So sieht das auch der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster. Er könne sich nicht vorstellen, dass solche Studenten geeignet seien für den Priesterberuf. Auch Studentenvertreter und die Organisation „ Wir sind Kirche “ kritisieren die Vorfälle scharf. Die Landtagsfraktionen von Grünen und SPD fordern, Würzburgs Bischof Friedhelm Hofmann müsse die Angelegenheit zur Chefsache machen. Ein Bistumssprecher hält das nicht für notwendig. Die Haltung des Generalvikars entspreche der des Bischofs, sagt er.

Einen Ausschluss von Studenten lehnt Regens Baumann zum jetzigen Zeitpunkt ab. Er könne keinen „auf einen Verdacht hin entlassen“, zumal ein Seminarist mit juristischen Mitteln drohe. Er setze auf eine „schriftliche Selbstverpflichtung“, die die Seminaristen in den kommenden Tagen verfassen und sich damit von antijüdischen Tendenzen distanzieren sollten.

Zuletzt geändert am 04­.06.2013