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Veröffentlicht am 07­.04.2011

7.4.2011 - Augsburger Allgemeine

188.000 Austritte: Katholiken verlassen die Kirche

Missbrauchsaffären in Schulen und Pfarreien: In Deutschland haben vergangenes Jahr rund 188.000 Katholiken die Kirche verlassen. Besonders hart hat es die Kirche in Bayern getroffen.

Erstmals haben die Katholiken die Protestanten überholt. 2010 traten mehr katholische Christen aus der Kirche aus. «Christ und Welt» beruft sich dabei auf Schätzungen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), wonach die protestantischen Kirchenaustritte 2010 leicht unter 150.000 liegen.

Die Anzahl der Kirchenaustritte in der katholischen Kirche ist in Deutschland so um fast 40 Prozent angestiegen. Nach einem Bericht der Wochenzeitung «Christ und Welt» haben rund 180.000 Katholiken 2010 ihre Kirche verlassen. Das seien gut 50.000 Austritte mehr als im Jahr 2009, berichtet das Blatt. Damals lag die Zahl bei 123.700.

Die Gesamtzahl der Katholiken in Deutschland betrug Ende 2009 rund 24,9 Millionen. Demnach kehrten ungefähr 0,72 Prozent der Gläubigen ihrer Kirche den Rücken. Die Daten für 2010 beruhen laut «Christ und Welt» auf einer Umfrage unter den 27 deutschen Bistümern, von denen 24 endgültige Zahlen nannten oder Schätzungen abgaben. Die drei Diözesen Freiburg, Hildesheim und Limburg machten keine Angaben.

Die Deutsche Bischofskonferenz betonte, die Gesamtzahl der Austritte 2010 liege noch nicht vor. «Wir werden diese - mit allen anderen statistischen Angaben des Jahres 2010 - wie jedes Jahr im Frühsommer veröffentlichen», sagte Pressesprecher Matthias Kopp.

«Jeder Austritt ist für uns ein vor allem menschlicher Verlust.» Die Krise des letzten Jahres sei nicht wegzureden. Nun schaue man jedoch nach vorne und wolle die verlorene Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Dazu diene der von den deutschen Bischöfen angestoßene Gesprächsprozess. «Wir werden alles tun, um die Austrittszahlen wieder geringer werden zu lassen», so Kopp.

Der Kölner Generalvikar Dominik Schwaderlapp erklärte, dass die Austritte mit dem Vertrauensverlust zu tun habe, «den die Kirche besonders durch die Missbrauchsfälle erlitten» habe. «Das ist schmerzlich für uns, weil offenbar viele Menschen den Kirchenaustritt als ihre persönliche Form des Protests und der Abscheu vor diesem Skandal gewählt haben.»

In Deutschlands größtem Erzbistum Köln verließen laut «Christ und Welt» im vergangenen Jahr 15.163 Katholiken ihre Kirche. Dies entspricht einem Anstieg von 41 Prozent gegenüber 2009, als die Austrittszahlen am Rhein bei 10.727 Gläubigen lagen.

Besonders hart hat es Bayern getroffen

Besonders schwer traf es dem Bericht zufolge die bayerischen Bistümer Eichstätt, Augsburg, Bamberg, Würzburg und Passau, wo die Austrittszahlen um bis zu 70 Prozent hochschnellten.

Auch die Bistümer Trier und Rottenburg-Stuttgart mussten dem Bericht zufolge überdurchschnittlich viele Austritte mit Zuwachsraten über 60 Prozent verkraften.

Glimpflich davon kamen hingegen die Bistümer Hamburg, Berlin und Speyer, wo die Austrittszahlen sich gegenüber 2009 um weniger als 20 Prozent erhöhten.

Unter den Ausgetretenen befinden sich nach Ansicht von Experten auch zahlreiche engagierte Gläubige. «Es gehen viele, die sich um ihre Kirche ernsthaft Sorgen machen und ehrlich an ihr verzweifeln», sagte Michael Ebertz, Professor für kirchliche Sozialarbeit an der Katholischen Hochschule in Freiburg. «Wir sind Kirche» sprach von «erschreckend» hohen Zahlen. Sie spiegelten «noch lange nicht das ganze Ausmaß des Ansehens- und Glaubwürdigkeitsverlustes wider», da viele Kirchenmitglieder lediglich vor dem letzten Schritt des Austritts zurückschreckten, teilte die Kirchenvolksbewegung in München mit.

kna

http://www.augsburger-allgemeine.de/panorama/Katholiken-verlassen-die-Kirche-id14605441.html

Zuletzt geändert am 07­.04.2011