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Veröffentlicht am 22­.11.2010

22.11.2010 - tz München

Papst erlaubt Kondome

Eine Kehrtwende mit Vorbehalten: Papst Benedikt XVI. hat erstmals das strikte Verbot von Kondomen gelockert und eine eingeschränkte Verwendung in „berechtigten Ausnahmefällen“ erlaubt. Dies gelte etwa für männliche Prostituierte, wenn es darum gehe, die Ansteckungsgefahr mit Aids zu verringern. HierkönnederEinsatz von Kondomen „ein erster Schritt auf dem Weg hin zu einer menschlicheren Sexualität“ sein. Allerdings seien Kondome natürlich keine „wirkliche und moralische Lösung“.

Mit seiner Neupositionierung überrascht das katholische Kirchenoberhaupt nun selbst seine Kritiker. Die reform- katholische Kirchenvolksbewegung Wir sind Kirche zeigte sich „überrascht“ (siehe Kasten unten). Noch im März 2009 hatte der Papst auf einer Afrika-Reise erklärt, der Gebrauch von Kondomen könne das Aids-Problem nicht regeln: „Ihre Benutzung verschlimmert vielmehr das Problem.“

Die neue Haltung des Papstes zu Verhütungsmitteln ist nicht die einzige deutliche StellungnahmezuheiklenThemen. In dem am Mittwoch erscheinenden Interview-Buch Licht der Welt – Der Papst, die Kirche und die Zeichen der Zeit des Münchner Journalisten Peter Seewald äußert sich Benedikt XVI. auch u.a. zu Abtreibung, Rücktrittsoptionen und Probleme der westlichen Gesellschaft.





„Rom nimmt die Realität nicht wahr“
Reformkatholiken noch skeptisch/UN begrüßt neue Haltung des Vatikans

Ist die beschränkte Zulassung von Kondomen ein revolutionärer Kurswechsel oder nur ein längst überfälliges, zu kurz greifendes Zugeständnis? Für Christian Weisner, Sprecher und Gründungsmitglied der Reform-Kirchenbewegung Wir sind Kirche, kommt die neue Devise des Papstes „überraschend“, ist aber immerhin „ein Zeicheneinerdringendnotwendigen Lernfähigkeit der Kirche und ihrer Sexualmoral“. Die derzeitigeHaltung des Vatikans in der Aids-Frage sei „lebensfeindlich“, sagte Weisner im Gespräch mit der tz und relativierte: „Das ist noch keine Billigung von Verhütungsmitteln, die Erlaubnis ist ja nur auf männliche Prostituierte zugespitzt. Wenn man da an die vielen Frauen in Afrika denkt …“ Was die Sexualität angehe, nehme man in Rom die Realität nicht wahr. Weisner: „Man muss die Nöte der Menschen erkennen und darauf reagieren.“

Michel Sidibe, Direktor des Anti-Aids-Programms der Vereinten Nationen (UNAIDS), sprach dagegen von einem „bedeutenden und positiven Schritt des Vatikans“. Der Papst erkenne damit an, dass ein verantwortungsvolles Sexualverhalten und der Gebrauch von Kondomen eine wichtige Rolle bei der Aids-Prävention spielten.

Dem Chef der Vatikanzeitung, Giovanni Maria Vian, zufolge, sei die Öffnung dem „Realismus des Hirten“, also allein Benedikt selbst zu verdanken.

Zuletzt geändert am 22­.11.2010