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Veröffentlicht am 30­.09.2010

30.9.2010 - Trierischer Volksfreund

Bischöfe legen Konzept mit vielen Fragezeichen vor

Von unserem Redakteur Rolf Seydewitz

Die katholische Kirche ist zu einer finanziellen Entschädigung der Missbrauchsopfer bereit. Konkrete Zahlen wurden bei der gestrigen Sitzung des Runden Tischs in Berlin allerdings nicht genannt. Auch über die unklare Entschädigungssumme hinaus gibt es noch viele offene Fragen.

Trier/Berlin. "Jetzt sollen wir auch noch betteln gehen. Das ist eine Frechheit angesichts dessen, was mir von einem katholischen Priester in der Kindheit angetan wurde." Mit diesen drastischen Worten kommentierte gestern ein ehemaliges Missbrauchsopfer aus Trier den Entschädigungsvorschlag der deutschen Bischöfe. Das Konzept (siehe Extra) war zur zweiten Sitzung des von der Bundesregierung einberufenen Runden Tischs "Sexueller Kindesmissbrauch" vom Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, präsentiert worden. Darin erklärt sich die katholische Kirche zwar generell bereit, Missbrauchsopfern "möglichst schnell eine finanzielle Hilfe" zu gewähren. Aber das Prozedere, um an die "materielle Leistung in Anerkennung des Leids" zu kommen, scheint alles andere als unkompliziert zu sein.

Wie es in dem von der Bischofskonferenz veröffentlichten Papier heißt, soll für die Entschädigung eines Missbrauchsopfers zunächst einmal der Täter verantwortlich sein. Diese Position hatte auch der Trie rer Bischof und Missbrauchsbeauftragte Stephan Ackermann in der Vergangenheit mehrfach vertreten. Nur: Um eine Entschädigungszahlung von einem vermeintlichen oder tatsächlichen Täter zu bekommen, müsste der zunächst einmal verklagt werden. Eine Hürde, die viele Opfer abschrecken dürfte. Immerhin: Wer sich zu diesem Schritt durchringt, hat künftig länger Zeit. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger will die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche von Opfern sexueller Gewalt von drei auf 30 Jahre erhöhen.

Weigert sich der Täter oder ist er inzwischen verstorben, sollen die jeweiligen Bistümer oder Orden einspringen. Wie das im konkreten Fall geregelt werden soll, ist aber noch unklar. Die Entschädigung werde jedenfalls nicht aus Kirchensteuermitteln gezahlt, sagen die Bischöfe. Aus welchen Töpfen kommt das Geld denn dann? "Aus anderen bischöflichen Vermögenstiteln", sagt Ackermann-Sprecher Ernst Mettlach und wird auch auf Nachfragen nicht konkreter. Hat der Trierer Bischof etwa eine Geheimschatulle?

Die Höhe der Entschädigungssumme soll nach dem Willen der katholischen Kirche von den am Runden Tisch beteiligten Organisationen gemeinsam festgelegt werden. Kommt es dort zu keiner Einigung, werde die Kirche einen eigenen Weg gehen, heißt es. Der Missbrauchsbeauftragte drückt aufs Tempo. "Es ist wichtig, dass wir diese Frage angehen, weil ich die Ungeduld der Opfer verstehen kann", sagt Stephan Ackermann. Der Druck auf die Kirche wächst, seit erste katholische Einrichtungen mit Entschädigungsankündigungen vorgeprescht sind. Im Nachbarland Österreich liegt bereits ein Entschädigungsmodell auf dem Tisch, in dem konkrete Zahlen genannt werden: 5000 Euro für leichte Fälle, 15 000 Euro für mehrfache Übergriffe über einen längeren Zeitraum und 25 000 Euro für schwere Missbrauchsfälle. In dieser Größenordnung dürften sich später auch die Entschädigungssummen in Deutschland bewegen.

Während Bundesfamilienministerin Kristina Schröder gestern den Vorschlag der Bischöfe begrüßte, gab es von Opferverbänden und der Laienbewegung "Wir sind Kirche" überwiegend Kritik. "Es wird als ein großes Modell verkauft, aber das ist es noch nicht", sagte Sprecher Christian Weisner.

Das von den katholischen Bischöfen gestern vorgelegte Entschädigungsmodell umfasst vier Punkte: 1. Präventionsfonds: Besonders innovative Vorbeugeprojekte innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche sollen gefördert werden. 2. Erstattung von Kosten für Psychotherapie oder Paarberatung. 3. Materielle Leistung in Anerkennung des Leids. 4. In besonders schweren Fällen sind laut dem Papier der Bischöfe "andere oder zusätzliche Leistungen" möglich.

http://www.volksfreund.de/nachrichten/themendestages/themenderzeit/Weitere-Themen-des-Tages-Trier-Berlin;art742,2562353

Zuletzt geändert am 01­.10.2010