| |
Veröffentlicht am 29­.09.2010

29.9.2010 - Nassauer Tageblatt

Katastrophenstimmung an der Basis

Gruppe "Wir sind Kirche" sieht in der Krise der katholischen Kirche die Chance zur Neubesinnung

Limburg. "Wir müssen die Leute an der Basis aufklären, damit sie nicht dumm bleiben. Die Basis ist viel weiter als die Kirchenleitung, man hält sie auch nicht mehr auf." Das sagte Henny Toepfer von der Bewegung "Wir sind Kirche" in der Diözese Limburg.

Seit nunmehr 15 Jahren setzt sich die 1996 in Österreich gegründete Initiative auch in Limburg für nach ihrer Ansicht längst überfällige Reformen in der katholischen Kirche ein und verzeichnet Zulauf. Immer mehr engagierte Katholiken halten es auch im Bistum Limburg für notwendig, schleichenden Rückwärtsentwicklungen Widerstand entgegenzusetzen. "Wir haben den ökumenischen Kirchentag in München erlebt. Das ist die Hoffnung, die wir haben können, dass wir ein anderes Bild von Kirche bekommen. Das wird kein Ende nehmen und die Zukunft der Kirche bestimmen", ermutigte Toepfer beim jüngsten Treffen von über 30 Aktiven im Pfarrsaal der St.-Antonius-Pfarrei im Limburger Stadtteil Eschhofen.

Dort sagte der Priester und Publizist Gotthard Fuchs: "Wir erleben zurzeit das Sterben einer Kirchengestalt, die über Jahrhunderte attraktiv und vielen Menschen Heimat und Heil war. Es stirbt die hierarchistische Kirche. Die klerikalistische Kirche ist in einer massiven Krise." Es sterbe heute ebenso die konfessionalistische Kirche. Sie spiele an der Basis kaum noch eine Rolle. Die Ökumene schreite voran, es sterbe die eurozentrische Kirche.

Der ist seit 47 Jahren Priester in der Diözese Paderborn. Dr. Gotthard Fuchs, Seelsorger und Publizist, sagt: "Wir erleben zurzeit das Sterben einer Kirchengestalt."zoomDer ist seit 47 Jahren Priester in der Diözese Pad... | mittelhessen.de "Europa ist heute nur noch der "Blinddarm, nicht die Avantgarde der kirchlichen Entwicklung", sagte Fuchs und fügte hinzu: "Es herrscht zum Teil eine katastrophische Stimmung wie in der Urzeit des Menschen bei Neumond."

Diese Angst dürfe kein Tabuthema bleiben, darüber müsse gesprochen werden, "damit sie uns nicht sauer macht". Es nütze nichts, sich angstvoll nur ans Alte festzuklammern und einfach nur eine "Reanimationspastoral" zu betreiben. Neue Wege müssten beherzt eingeschlagen werden.

Fuchs: "Wir müssen geistlich streiten und nicht mehr duckmäusern"

Das Kostbare an der gegenwärtigen Situation sei, "dass wir im Übergang die Mitte des Glaubens neu entdecken können". "Die richtige Gestalt der Kirche können wir nur mit Gott allein und mit der Konzentration auf das Evangelium Jesu Christi gewinnen. Der Christ der Zukunft wird Pilger und Konvertit sein, einer, der sich bekehrt und sich entschieden hat und weiß, warum er Christ ist", meint Fuchs.

In der Diskussion wurde Unzufriedenheit mit der derzeitigen Situation im Bistum Limburg geäußert. Es sagte Barbara Sylla-Belok: "Das Kirchenrecht legt die Macht in die Hände der Hierarchie und wir haben keine Möglichkeit, das zu ändern. Wenn ein Bischof ein Haus haben will, haben wir nichts zu sagen. Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes Schafe." Es müsse in der Kirche grundsätzlich etwas geschehen.

Die Unzufriedenheit mit der Situation mache oft mutlos und kraftlos: "dass wir zwar über Reformen sprechen, aber nichts verändern können; dass zwar Geld für ein feudales Bischofshaus da ist, aber Gemeindezentren wegen Geldmangels geschlossen werden sollen; dass manche jungen Priesteramtskandidaten schon mit Kalkleiste herumlaufen und etwas Besseres sein wollen als andere Gemeindemitglieder; dass die Bischöfe sagen, der Zölibat sei ihre Angelegenheit, darüber dürften wir nicht urteilen".

Fuchs empfahl, mutiger über Macht und Ohnmacht in der Kirche zu sprechen. Die Finanzen müssten natürlich offen gelegt werden, das sei auch eine Frage der Spiritualität. Fuchs: "Wir müssen eine geistliche Streitkultur entwickeln und nicht duckmäusern."

http://mittelhessen.de/lokales/region_weilburg_limburg/limburg/246301_Katastrophenstimmung_an_der_Basis.html

Zuletzt geändert am 30­.09.2010