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Veröffentlicht am 30­.03.2008

30.3.2008 - WDR5 "Diesseits von Eden"

Kirche und Sex - wen regt das noch auf?

Sexualität in christlicher Verantwortung
Die Bundesver
sammlung "Wir sind Kirche" in Bielefeld


Autor: Michael Ruffert, WDR Studio Bielefeld (Büro Paderborn)

Julia Wieczorek ist eine attraktive junge Frau. Sie trägt eine modische weiße Bluse, Jeans und glitzernde Ohrringe. Die 18-Jährige besucht das katholische Mädchen-Gymnasium Sankt Michael in Paderborn - die Gemeinschaft im katholischen Glauben ist ihr wichtig. Allerdings kann sie mit manchen Ansichten der Amtskirche wenig anfangen.

O-Ton:
"Von Enthaltsamkeit halte ich gar nichts - heutzutage ist das schwer. Früher da war man nicht so aufgeklärt, da war das mmmh. und Sex und Sexualität vorher schon? Heutzutage kriegt es jeder in der Schule mit, wir kriegen es im Fernsehen mit und kriegen es in der Musik mit. Jeder möchte sich ausprobieren und seinen Körper ausprobieren."

Julia kennt die Initiative "Wir sind Kirche" zwar nicht, aber deren Ziele findet sie gut. Das Thema "Sexualität in christlicher Verantwortung" steht bei der Versammlung der Kirchenvolksbewegung an diesem Wochenende in Bielefeld im Mittelpunkt. "Wir sind Kirche" wirbt dafür, dass die Lust zum Leben gehört.

O-Ton:
"Wir begründen uns darauf, dass Gott den Menschen geschaffen hat und dass Sexualität eine der wesentlichen Seiten des Menschseins ist. Es gehört zum ganzen Menschsein hinzu und daher positiv zu leben ist."

Sagt Maleen Hinse, vom Aktionskreis "Wir sind Kirche" in Bielefeld. Als Expertin für das Thema "Sexualität und Kirche" hat die Kirchenvolksbewegung die Paderborner Theologin Agnes Wuckelt zu ihrer Bundesversammlung eingeladen. Sie beschreibt, dass es im Altertum Männern vorbehalten war, ihre Sexualität auszuleben. Und dass Sex in der christlichen Theologie oft mit Sünde gleichgesetzt wird. Wuckelt charakterisiert die Position der Amtskirche so:

O-Ton:
"Sexualität hat auch für die katholische Amtskirche heute vielfache Aspekte. Sicherlich steht an erster Stelle immer noch der Fruchtbarkeitsaspekt - also die Sexualität dient, wenn sie aktiviert wird, der Zeugung von Nachkommen von Kindern.(...) Und das andere wird auch gesehen: Sexualität, sexuelle Betätigung, aber auch erotische Anziehungskraft, die sich zwischen Menschen auch mit Lust versehen ist - diese Dimensionen finden sich in den neueren Papieren, die wir von amtlicher Seite nachlesen können."

Doch Wuckelt erklärt, dass für die Amtskirche solche Lustaspekte allenfalls in der Ehe gelten - obwohl es längst viele katholische Paare gibt, die unverheiratet zusammenleben. Oder junge Menschen, die frisch verliebt noch keinen Wunsch nach Kindern spüren. So wie Julia, die seit zwei Monaten einen festen Freund hat.

O-Ton:
"Wenn ich nur Geschlechtsverkehr hätte, um Kinder zu kriegen, sähe mein Leben, glaube ich, anders aus. Das spielt heute, glaube ich, keine Rolle mehr. Es gibt so viele, die sagen, wir möchten keine Kinder oder wir möchten noch keine Kinder. Aber trotzdem ist das ist ja ein körperliches Bedürfnis, dass nun mal ein jeder hat. Und wo man nachgehen sollte und müsste meiner Meinung nach (...) Ich finde es auch für eine Beziehung wichtig, weil es Vertrauen ausdrückt."

Für Sex ohne Kinderwunsch gebe es durchaus auch Vorbilder in der Bibel, meint die Theologin Agnes Wuckelt:

O-Ton:
"Wenn wir in die Bibel schauen, finden wir dort das hohe Lied, das von der Liebe Unverheirateter spricht und sie in hohen Tönen lobt, ein unwahrscheinlich schönes Lied, dass sich lohnt nachzulesen, weil es sehr schöne Sprache beinhaltet."

Doch darüber werde in der katholischen Amtskirche wenig geredet, bemängelt die Kirchenvolksbewegung. Auch wenn an der kirchlichen Basis längst eine andere Praxis herrscht, wie Julia beobachtet hat.

O-Ton:
"Ich weiß, dass ich auf dem Weltjugendtag war in Köln und da wurden Kondome verteilt. Ich glaube, die Kirche sollte mehr dafür tun, dass die Jugendlichen aufgeklärt werden - und wissen, was sie tun mit ihrem Körper."

Und dabei kann sich die Kirche nach Ansicht von Agnes Wuckelt durchaus an der Bibel orientieren.

O-Ton:
"Jesus begegnete Menschen immer auch körperhaft, leibhaftig, er berührte sie, er rührte sie an und nicht, um sie zu unterdrücken, zu bevormunden, sondern, um sie heil und gesund zu machen. Das könnte eine Grundnorm christlich-verantworteter Sexualität sein."

Zuletzt geändert am 03­.04.2008