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Veröffentlicht am 16­.03.2008

16.3.2008 - welt.online

Richter erhebt schwere Vorwürfe gegen Bistum Regensburg

Von Christoph Wenzel

Mit der Verurteilung des pädophilen Pfarrers von Riekofen ist Bischof Gerhard Ludwig Müller nicht entlastet

Das Bistum Regensburg ist nach dem Urteil gegen den ehemaligen Pfarrer von Riekofen, Peter K., erneut in die Kritik geraten. Die große Jugendkammer des Landgerichts Regensburg hatte K. am Donnerstag wegen sexuellen Missbrauchs eines minderjährigen Ministranten in 22 Fällen zu drei Jahren Haft und Unterbringung in einer Psychiatrie verurteilt - und dem Bistum Vorwürfe gemacht.

Die Kammer unter Vorsitz von Richter Karl Iglhaut gab der Diözese eine Mitschuld an den Vorkommnissen, die vergangenen Sommer für Aufsehen gesorgt hatten: Der heute 40-jährige K. war 2004 vom Regensburger Ordinariat zum Pfarrer von Riekofen bestellt worden. Zuvor war er 2000 wegen sexuellen Missbrauchs eines Buben in Viechtach zu einer Bewährungsstrafe von drei Jahren verurteilt worden.

Zu den Auflagen gehörte ein Fernbleiben von der Jugendarbeit. Ab 2001 war K. aber bereits aushilfsweise in Riekofen tätig - nicht nur vereinzelt, sondern in großem Umfang, wie die Verhandlung ergab. So hatte K. seitdem die Ministrantenarbeit "intensiviert" und Bade- und Wochenendausflüge angeboten. Richter Iglhaut verwies in der Urteilsbegründung darauf, dass das Bistum Peter K. "in eine Versuchungssituation" geführt habe. Iglhaut verglich das mit einer Bank, die jemanden anstellen würde, der "wegen Untreue oder Unterschlagung vorbestraft ist".

Die Vorgeschichte des Peter K. hatte das Ordinariat den Riekofenern verschwiegen. Dafür war Bischof Gerhard Ludwig Müller, der sich bis heute nicht für die Vorfälle entschuldigt hat, heftig in die Kritik geraten (die "Welt am Sonntag" berichtete). Lediglich das Ordinariat drückte nach der Verhandlung schriftlich "sein tiefstes Bedauern aus" und kündigte "zu einem geeigneten Zeitpunkt" einen Besuch Müllers in Riekofen an.

Müller hatte den Einsatz von Peter K. in einer Gemeinde immer damit gerechtfertigt, dass sein Therapeut den Übergriff in Viechtach als "einmalig regressives Verhalten" eingestuft hatte: "Er ist kein Pädophiler." Das entkräftete der Gutachter Bernd Ottermann, ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Straubing. "Es liegt eine homoerotische Kernpädophilie vor", sagte Ottermann. "Ich habe bereits im Jahr 2000 darauf hingewiesen, dass es notwendig sei, sich dieser Realität zu stellen", sagte Ottermann, der für den Viechtacher Prozess ein Gutachten erstellt hatte.

Das Regensburger Ordinariat wusste zumindest von der Existenz dieses Gutachtens. Das belegen im Prozess angeführte Vermerke in K.s Personalakte, die der Kriminalpolizei vorgelegen hatte. Sie sind Wasser auf die Mühlen von "Wir sind Kirche", einer amtskirchenkritischen Gruppe von Laienkatholiken. Sie hatte vor dem Landgericht in Regensburg protestiert. "Das ist ein ganz trauriger Höhepunkt in der kurzen Amtszeit von Bischof Müller", sagte Johannes Grabmeier, ehemaliger Dekanatsratsvorsitzender von Deggendorf. "Strafrechtlich ist der Bischof nicht schuld", sagte er der "Welt am Sonntag". "Aber in einer Institution, in der es um Moral geht, ist das Verhalten nicht zu vertreten."

Bistumssprecher Jakob Schötz wies diese Kritik energisch zurück: "Es handelt sich dabei um eine kirchenfeindliche kleine Splittergruppe, die nicht die Meinung der Mehrheit im Bistum vertritt." Für eine Entschuldigung Müllers gebe es weiterhin keinen Grund. "Für die Tat kann nur der Täter verantwortlich gemacht werden."

Peter K. nahm diese Verantwortung auf sich: Er entschuldigte sich nicht nur bei seinem Opfer, sondern auch bei Bischof Müller, "der für alles nix kann". Aber die Unruhe im Bistum dauert an. Die Pfarrgemeinderatsvorsitzende hat eine Aufarbeitung der Fälle in der Kirche gefordert.

Zuletzt geändert am 17­.03.2008