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Veröffentlicht am 13­.02.2008

13.2.2008 - Die Welt

"Ich hoffe nicht, dass es Krach mit dem Papst gibt"

Von Gernot Facius

Warum Robert Zollitsch als neuer Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz eine gute Wahl ist - "Zeichen der Kontinuität"

Würzburg/Bonn - Robert Zollitsch musste "erst einmal die Luft anhalten", als gestern Vormittag im Würzburger Kloster Himmelspforten das Ergebnis der Wahl zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) verkündet wurde. Er, nicht der als "Favorit" gehandelte Münchner Amtsbruder Reinhard Marx, ist der Nachfolger von Kardinal Karl Lehmann an der Spitze des Episkopats. Gewählt im dritten Wahlgang. "Ich bin innerlich voller Spannung", gestand der Freiburger Erzbischof.

Zollitsch hatte sich aus den Personalspekulationen der vergangenen Wochen herausgehalten - wie es seine Art ist: Der 69-Jährige gehörte bisher zu den Stillen unter den fast 70 katholischen Bischöfen in Deutschland. Er ist nicht der geborene Talkshowgast, er besitzt nicht das Kommunikationstalent und die Umtriebigkeit seines fast 21 Jahre amtierenden Vorgängers, der jetzt den Vorsitz der Glaubenskommission der DBK übernimmt. Er ist das, was man einen "Seelsorgebischof" nennt. Ein Oberhirte, der auf die Menschen zugeht, der gut zuhören kann, der gerne fragt. Ein Bischof, der wie Lehmann in der "Mitte" der Kirche verankert ist. Zollitsch gehört zwar zur Schönstatt-Gemeinschaft, einer sehr marianisch orientierten katholischen Gruppierung von Priestern und Laien. Aber das hat seiner Offenheit für die Ökumene nicht geschadet. Ihm werden neben Bescheidenheit Umsicht, Gelassenheit und Integrationskraft bescheinigt. Auch von protestantischer und orthodoxer Seite, wie die diversen Glückwunschadressen dokumentieren. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Hans Joachim Meyer, sprach von guten Verbindungen Zollitschs zu seiner Organisation. Selbst die amtskirchenkritische Bewegung "Wir sind Kirche" zeigte sich zufrieden: "ein gutes Zeichen der Kontinuität".

Zumal Zollitsch dafür Sorge tragen will, dass die "Breite des Katholischen" auch künftig zum Ausdruck kommt. Er versprach Dialogbereitschaft nach dem Beispiel von Lehmann und betonte zugleich die Treue zu Rom und dem Papst: "Keiner von uns sucht Konflikte mit Rom, und ich hoffe nicht, dass es Krach mit dem Vatikan gibt." Mit seinen fast 70 Jahren gilt Robert Zollitsch in seinem neuen Amt als Mann des Übergangs. Auch als Platzhalter für Reinhard Marx (54), der diesmal noch nicht zum Zuge gekommen ist? Dieser These wi-dersprachen mehrere Bischöfe. Unter bayerischen Wahlmännern herrschte jedoch die Meinung vor, Marx werde es in sechs Jahren werden. Intern soll er gesagt haben: "Lasst mir Zeit, aber wenn es so weit kommt, bin ich bereit."

Marx ist erst knapp zwei Wochen als Erzbischof von München und Freising im Amt. Eigentlich, sagte sein Weihbischof Engelbert Siebler mit bedauerndem Unterton, wäre München "an der Reihe gewesen". Und es gab in Würzburg Stimmen, die sogleich auf die begrenzten Kompetenzen des Episkopatsvorsitzenden hinwiesen: als Moderator, Koordinator, Sprecher nach außen. Er ist kein Oberbischof, der seinen Amtsbrüdern Weisungen erteilen kann.

Zollitschs Amtszeit - mit dem wiedergewählten Stellvertreter Heinrich Mussinghoff (67) an der Seite - fällt in eine Phase, in der das kirchliche Leben in Deutschland einer Riesenbaustelle gleicht. "Aufbruch im Umbruch" - unter dieses Motto hat Zollitsch die Strukturreformen in seiner Freiburger Diözese, der mit rund zwei Millionen Mitgliedern zweitgrößten in Deutschland, gestellt. "Wir denken alle neu nach, was Kirche überhaupt sein soll", gab er damals zu Protokoll. Zollitsch, seit Juli 2003 im Amt, hat nicht das theologische Profil von Kardinal Lehmann, aber vielleicht sehnten sich die in Würzburg versammelten Erzbischöfe, Bischöfe und Weihbischöfe wieder nach einem Vorsitzenden, der mehr durch Bodenständigkeit denn durch Intellektualität punktet.

Im komplizierten Binnenleben des deutschen Katholizismus kennt sich der Lehmann-Nachfolger freilich bestens aus. Immerhin leitet er den mächtigen Verband der Diözesen Deutschlands, der die Ge-meinschaftsausgaben der Bistümer finanziert. Ein exzellenter Finanzfachmann, der skeptisch ist, was das ehrgeizige Projekt eines eigenen katholischen Fernsehsenders angeht. Mit ihm, das wurde in Würzburg, deutlich, würde vor allem die innere Konsolidierung der Kirche im Mittelpunkt stehen.

Robert Zollitzsch war bis zu seiner Wahl zum Erzbischof Personalreferent der Freiburger Erzdiözese, also verantwortlich für den Einsatz aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die in der Seelsorge tätig sind, der Pfarrer und Vikare sowie der Ständigen Diakone, der Pastoralreferenten und Pastoralreferentinnen, der Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten. Promoviert wurde er mit einer Arbeit über "Amt und Funktion des Priesters in den ersten zwei Jahrhunderten". Der neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz ist ein Donauschwabe - geboren am 9. August 1939 in Filipovo (Philippsdorf) im ehemaligen Jugoslawien. Er hat als Kind mehrfach dem Tod in die Augen gesehen. 1944 ermordeten in seinem Heimatort Josip Titos Partisanen 212 Männer, darunter Zollitschs 16-jähriger Bruder. Gelegentlich spricht er als Zeitzeuge vor Schülern über die Vergangenheit: "Ich höre die Schüsse heute noch, als wir aus unserem Dorf hinausgetrieben wurden." Mit sechs Jahren wurde er mit Teilen seiner Familie in das kommunistische Todeslager Gakovo in Nordserbien gebracht. Er hat es überstanden, fand im Landkreis Tauberbischofsheim und später in Mannheim eine neue Heimat. Er war Kaplan in Mannheim und in Buchen im Odenwald, Dozent am Priesterseminar und Direktor des Collegium Borromaeum, des Erzbischöflichen Theologischen Konvikts in Freiburg, ehe er am 20. Juli 2003 in sein Amt als 14. Erzbischof der 1827 gegründeten Erzdiözese eingeführt wurde. Die Erinnerung an seine Erlebnisse in der Kindheit hat ihn nie verlassen. Aber, so schärfte er stets seinen Zuhörern ein: "Wer sich von der Angst lähmen lässt und resigniert, geht unter."

Zuletzt geändert am 14­.02.2008