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Veröffentlicht am 27­.11.2007

27.11.2007 - DPA

Abgrenzung statt Annäherung - Religiöses Klima ist gestört

Von Claudia Utermann, dpa

Hamburg (dpa) - Der Ton zwischen Kirchen und muslimischen Verbänden, aber auch zwischen den christlichen Konfessionen ist 2007 deutlich schärfer geworden. Waren nach der ersten Islam-Konferenz durch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und der Wahl eines Deutschen zum Papst die Euphorie und die Hoffnungen groß, so macht sich jetzt Ernüchterung breit: Der katholische Theologe der Universität Tübingen, Prof. Karl Joseph Kuschel, spricht von einem «eingefrorenen ökumenischen Klima» seitdem die Glaubenskongregation des Vatikan den Protestanten den Status der Kirche abgesprochen hat. Und der Dialog mit Muslimen werde überschattet vom Sicherheitsdiskurs und gegenseitigem Misstrauen, kritisiert Prof. Werner Schiffauer, Ethnologe und Islamwissenschaftler der Universität Frankfurt (Oder).

«Beide christlichen Kirchen haben eine Legitimationskrise», bilanziert Kuschel. Gegenüber dem Islam und dem Säkularismus versuchten sie sich abzugrenzen. «Die Kirchen sind in Verteidigungshaltung, Selbstdarstellung und Polarisierung haben zugenommen», beobachtet der Katholik Christian Weisner von der Kirchenvolksbewegung. Doch an der Basis «provoziert das Unfrieden». Er meint, dass viele Bischöfe der Zeitgeist und die Folgen der Globalisierung ängstigen und sie sich nach Stabilität sehnten. Nur so versteht er auch polemische Worte zum Beispiel von Augsburgs Bischof Walter Mixa, der die Familienpolitik der Regierung als «Umerziehung» bezeichnet hatte und Frauen zur «Gebärmaschine» degradiere.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) glaube, «ihr Profil polemisch am Islam schärfen zu müssen», schrieb der Generalsekretär des Zentralrates der Muslime, Aiman Mazyek, im November in einer Zeitung. Der Berliner Bischof und Ratsvorsitzende der EKD, Wolfgang Huber, hatte zuvor Baupläne für Moscheen kritisiert, den Muslimen unterstellt er «Machtansprüche» und dubiose Absichten. Vor allem an der geplanten Zentralmoschee ein Köln hatten sich bundesweit hitzige Debatten entzündet. Der Präses der evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, hat sie als «triumphierend angelegt» kritisiert.

Kölns Kardinal Joachim Meisner räumte ein «ungutes Gefühl» ein. «Es gibt noch immer kein umfassendes Konzept für den Umgang mit der dritten Offenbarungsreligion», erläutert Kuschel das Problem der Kirchen mit dem Islam. Mangels der theologischen Auseinandersetzung werde «der Islam einseitig politisiert». Dies zeige besonders eine Veröffentlichung der EKD von 2006 zum Umgang mit Muslimen: «Da werden über 100 Seiten gesellschaftliche Problemfelder beschrieben, sieben magere Seiten enthalten theologische Reflexion.» Die EKD sei doch «kein politischer Verein». Auch sei der Ton des Textes herablassend. «Wenn wir den Glauben der Muslime nicht respektieren, können wir sie nicht für die Lösung gesellschaftlicher Probleme gewinnen», meint Kuschel, der gemeinsam mit 13 Professoren verschiedener Disziplinen den Text analysiert hat.

Auch Schiffauer warnt davor, den Islam für soziale und politische Probleme verantwortlich zu machen: Hubers Verhalten «zerstört Netzwerke», der EKD-Text habe «in den Gemeinden Barrieren aufgebaut». Gerade die Kritik an Moschee-Bauten hält er für ungerechtfertigt: «Die Muslime haben das Recht. Wir haben es nicht mit Einwanderern zu tun, das sind unsere Staatsbürger», betont er. Außerdem seien die Muslime mehr in die Gesellschaft eingebunden, wenn sie transparente Gotteshäuser hätten.

Der Dialog mit den Muslimen verlaufe «asymmetrisch» und werde «an Vorbedingungen geknüpft», beobachtet Schiffauer. Dies gelte sowohl für die Kirchen als auch für Politiker. Schon die zweite Islam- Konferenz mit Schäuble im Mai verlief weniger harmonisch als ihr Auftakt 2006: Als Tribut an Forderungen seitens des Staates hatten vier große muslimische Verbände Anfang 2007 einen Kooperationsrat gegründet. Daraufhin wurde ihm vorgeworfen, nicht repräsentativ genug zu sein. «Das ist klar, der Islam hier ist eine Laienbewegung, die Strukturen wurden von unten aufgebaut», erläutert Schiffauer.

Auch erste wissenschaftliche Forschungsergebnisse deuten an, dass die Betonung der Religionszugehörigkeit von Migranten schwierig ist. «Der Trend, Muslime wegen ihrer Religion als Problem zu sehen, wird durch Initiativen wie die Islam-Konferenz verstärkt», berichtete Mark Bodenstein, von einer Forschungsgruppe im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg, auf dem Deutschen Orientalistentag im September in Freiburg. Vor allem islamische Dachverbände seien im vergangenen Jahr politisch und gesellschaftlich aufgewertet worden. Bodenstein vertrat die These, dass Muslime «zwangshomogenisiert» würden. Eine für Herbst geplante dritte Islam-Konferenz hat bislang nicht stattgefunden.

Zuletzt geändert am 05­.12.2007