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Veröffentlicht am 25­.06.2007

25.6.2007 - Benno Bühlmann / Kipa

"Kein Vogel kann mit nur einem Flügel fliegen"

Verleihung des Herbert-Haag-Preises "Für Freiheit in der Kirche"

Luzern, 25.6.07 (Kipa) "Die Erneuerung unserer Kirche muss, wie schon so oft in der langen Geschichte, von unten kommen und von Einzelnen vorangetrieben werden", betonte der Theologe Hans Küng anlässlich der Verleihung des diesjährigen Herbert-Haag-Preises. Über 200 Personen nahmen am Sonntag, 24. Juni, in Luzern an der Veranstaltung teil, bei der drei Preisträger für ihr Engagement für Freiheit in der Kirche geehrt wurden: die Bethlehem Mission Immensee und die beiden Theologen John Fernandes aus Südindien und Xaver Pfister aus Basel.

Der indische Theologe John Fernandes, Professor für Christentum an der Universität Bangalore, wurde am Sonntag von der Herbert-Haag-Stiftung für sein unermüdliches Engagement in der Bewegung "Dharma Samanvaya – religiöse Harmonie" ausgezeichnet.

John Fernandes verbinde den interreligiösen Austausch mit Hindus, Muslimen und Jains exemplarisch mit dem Einsatz für ein neues Gesicht der Kirche Indiens. Dieses sei "dialogisch in der Grundhaltung, offen gegenüber der indischen Kultur, orientiert an den Menschenrechten und solidarisch im Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung".

Erwin Koller würdigte in seiner Laudatio das besondere Verdienst von John Fernandes mit folgenden Worten: "Im Habitus einfach und bescheiden hat er mit der ihm eigenen intellektuellen Klarheit, spirituellen Kraft und asketischen Ausdauer ein Leben lang darauf hin gearbeitet die Geschichten von Jesus von Nazareth in die indische Wirklichkeit und deren Sprachen, Zeichen, Symbole und Riten zu übersetzen und sie Wurzeln fassen zu lassen."

Konsequenter Weg der Gleichberechtigung Die Bethlehem Mission Immensee (BMI) erhielt den Preis der Herbert-Haag-Stiftung für ihr zeitgemässes Verständnis von Entwicklungszusammenarbeit und Mission, aber auch für ihr konsequenten Weg der Gleichberechtigung, der in den vergangenen Jahren in der Weiterentwicklung des Missionswerks eingeschlagen wurde: "Männer und Frauen, Ledige und Verheiratete, Priester und Fachpersonen legen gemeinsam und gleichberechtigt Zeugnis ab für die Freiheit, zu der uns Jesus gerufen hat, in Respekt vor den Kulturen vor Ort, verbunden mit einem solidarischen Einsatz für Menschen in Not."

Der Umstand, dass hier Frauen gleichberechtigt neben den Priestern im Vorstand, in der Geschäftsleitung und als Mitarbeiterinnen mitentscheiden könnten, sei "einmalig in einer katholischen missionarischen Institution", betonte die ehemalige Fastenopfer-Direktorin Anne-Marie Holenstein in ihrer Würdigung.

Preis als Zeichen der Ermutigung

Als dritter Preisträger schliesslich wurde im Hotel Schweizerhof in Luzern Xaver Pfister, Erwachsenenbildner und Informationsbeauftragter der katholischen Kirche Basels geehrt: Die Herbert-Haag-Stiftung übergab ihm den Preis "für den Freimut, mit dem er den geistlichen Hirten die Sorge um das Wohl der Kirche vermittelt, für die Ausdauer, mit der er zu einer offenen Auseinandersetzung über Konflikte in der Kirche einlädt und für die energische Hoffnung, mit der er das Leiden an der Kirche aushält." Irene Gysel unterstrich in ihrer Laudatio insbesondere die Fähigkeit von Xaver Pfister, "die Dinge richtig zu sehen, wahrzunehmen in ihren Zusammenhängen, und dann das Gesehene ungeschminkt zu formulieren".

In seinen Dankesworte betonte Xaver Pfister, dass für ihn dieser Preis eine grosse Ermutigung darstelle: "Er befreit mich aus einem resignativen Einzug ins Exil am Rand der real existierenden Kirche und weckt meinen Kampfgeist." Die katholische Kirche habe nicht das Recht, anders Denkende auszugrenzen, meinte Pfister: "Kein Vogel kann nur mit einem Flügel fliegen. Der einflügelige Kirchenvogel kann nur in der Sakristei überleben. Die Kirche in der Sakristei aber ist nicht die Kirche Jesu Christi."

Erneuerung der Kirche von unten

Als Präsident der Herbert-Haag-Stiftung für Freiheit in der Kirche wies der Theologe Hans Küng auf die besonderen Verdienste der drei Preisträger hin: "Sie zeigen, dass Erneuerung nicht reine Theorie bleiben muss und dass an der Basis durchaus positive Resultate erzielt werden können."

Es sei wichtig, dass solche Zeugnisse gerade in "schwierigen Zeiten unserer Kirche" wieder etwas Hoffnung machen könnten, betonte Küng und warnte gleichzeitig vor falschen Hoffnungen, wie sie derzeit beispielsweise durch gross angelegte katholische Events wie die Weltjugendtage genährt würden: "Die Massen bei kirchlichen Grossveranstaltungen sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich hier nicht nur viele Neugierige und Sinnsuchende einfinden, sondern vor allem auch Menschen aus dem traditionellen Volkskatholizismus."

Hinter imponierenden Statistiken, Grossveranstaltungen und Liturgien katholischer Massen verberge sich allzu oft ein "verflachtes, substanzarmens Traditionschristentum". Andererseits manifestiere sich heute in der disziplinierenden Hierarchie vielfach ein immer nach Rom schielendes, nach "oben" serviles und nach "unten" selbstherrliches geistliches Funktionärstum: "Im geschlossenen dogmatischen Lehrsystem steckt eine längst überholte autoritätere, unbiblische Schultheologie", kritisierte Küng und wies darauf hin, dass die Erneuerung der Kirche heute von unten kommen müsse.

Eine Kirche im Dienst der Befreiung Was eine solche "Kirche von unten" konkret bedeuten könnte, skizzierte John Fernandes in seinem Festvortrag, der dem Thema "Eine freie Kirche im Dienst der Befreiung der Menschen" gewidmet war. In seinen Ausführungen legte er die wichtigsten Grundzüge einer Befreiungstheologie dar, wie sie heute im indischen Kontext anzutreffen ist. Es sei dies eine Theologie, die sich gegen Ungerechtigkeit, Ungleichheit und Unterdrückung zur Wehr setze und sich gleichzeitig im Dialog mit einer Vielzahl von Religionen und Kulturen als "Theologie des religiösen Pluralismus" erweisen müsse.

Allerdings dulde das zentralisierte religiöse Establishment keinen Pluralismus, meinte Fernandes: Weil "Uniformität" leichter zu kontrollieren sei, trete heute immer häufiger die Glaubenskongregation auf den Plan und versuche "mit Lehrverfahren den Geist auszulöschen", sagte Fernandes und verwies auf Beispiele wie Tissa Balasuriya, Anthony De-Mello oder Jacques Dupuis.

Auch die jüngste Verurteilung von Sobrino sei ein neuerlicher Indikator dafür, dass das Verhalten der Glaubenskongregation im Blick auf die Freiheit der Forschung und insbesondere hinsichtlich einer kontextuellen Theologie kaum etwas verändert hat, stellte Fernandes fest und forderte von der Kirche in Rom, dass sie "die spezifische Individualität, die legitime Autonomie und die Würde der Ortskirchen" endlich anerkenne.

25.06.2007 - Benno Bühlmann / Kipa

Zuletzt geändert am 25­.06.2007