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Veröffentlicht am 21­.07.2020

21.7.2020 - KNA aktuell

Weiter deutliche Kritik an Vatikan-Papier zu Gemeindereformen

Bonn (KNA) Die neue Vatikan-Instruktion zu Gemeindereformen sorgt in Deutschland weiter für deutliche Kritik. Der Tübinger Theologe Albert Biesinger hält das vatikanische Dokument mit Blick auf die Zukunft der Kirche für gefährlich. Der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte er am Dienstag, es sei arrogant, ohne vorherige breite Konsultationen mit den Bischofskonferenzen weltweit über Perspektiven der Gemeindeentwicklung Vorgaben machen zu wollen.

Nach dem am Montag veröffentlichten Schreiben bleiben Laien von der Gemeindeleitung ausgeschlossen. Dagegen stärkt der Text die Rolle des Pfarrers. Bestrebungen, die Leitung von Pfarreien beispielsweise Teams aus Priestern und kirchlich Engagierten und anderen Mitarbeitern anzuvertrauen, widerspricht die Instruktion direkt. Laien wird weiterhin die Predigt in Messfeiern untersagt.

Biesinger sieht in dem Papier einen Beitrag zur Selbstzerstörung. Die Instruktion zeige die Handschrift von zwei deutschen Priestern im Vatikan, so der emeritierte Religionspädagoge. Er empfahl ihnen, zuerst fünf Jahre eine deutsche Großraumpfarrei zu leiten und fünf Jahre am Amazonas zu
arbeiten, bevor sie sich zu Seelsorgefragen äuÿern. Der Wissenschaftler rief die deutschsprachigen Bischöfe auf, im Sinne der von Papst Franziskus betonten Synodalität diesem Treiben Einhalt zu gebieten. Eine rasche Überarbeitung dieser Instruktion sei unausweichlich.

Der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner beurteilte das neue Vatikan-Dokument zurückhaltend. Einige Aussagen verdienten durchaus weiteres Nachdenken, über andere sollte man den Mantel des befremdlichen Schweigens hüllen: zum Beispiel, wie wenig ein Römisches Dokument die biblischen Quellen zitiert, sagte Zulehner laut der Presseagentur Kathpress. In wichtigen Punkten hinke das Dokument weit hinter der Entwicklung in vielen Ortskirchen her.

Die Initiative Wir sind Kirche kritisierte das Dokument scharf. Es sei der ungeheuerliche Versuch Roms, die Kirche wieder vorkonziliar zu machen und dringend anstehende Pastoralreformen auszubremsen, erklärte die Organisation in München. Zu befürchten sei, dass das, was von Rom zur Evangelisierung und zur Sicherung pfarrlicher Strukturen gedacht sein möge, nun zu einer weiteren Erosion kirchlichen Lebens führen werde.

Die neue Instruktion setze den Kurs jener aus dem Jahr 1997 fort, der haupt- wie ehrenamtlichen Laien von vielen Diensten wie etwa der Predigt in der Eucharistie-Feier ausschließe. Vor allem würden auch Frauen von allen Leitungs- und Weiheämtern ferngehalten.

Die Initiative appelliert deshalb an die Gemeinden, die kirchlichen Gremien, aber auch an die Bischöfe und die Mitglieder des Reformprozesses Synodaler Weg, sie sollten sich nicht kleinlich und diskriminierend vorschreiben lassen, wie sie ihr Leben als Glaubende zu gestalten hätten. Die Deutsche Bischofskonferenz will nach Auskunft ihres Sprechers das Dokument sorgfältig studieren und beim nächsten Treffen der Diözesanbischöfe erörtern.

Scharfe Kritik kam auch vom Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin. Das Papier zementiert nicht nur den Status quo, sondern bleibt sogar hinter der Realität der charismenorientierten Zusammenarbeit zwischen Laien und Geistlichen in vielen Pfarreien und Gemeinden zurück, sagte dessen Vorsitzender Bernd Streich.

Zuletzt geändert am 21­.07.2020