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Veröffentlicht am 24­.04.2007

24. 04. 2007 - ORF-Religion

Theologen solidarisch mit Jon Sobrino

"Mit Betroffenheit und Empörung" haben die Herausgeber der internationalen katholischen Zeitschrift "Concilium" auf die Lehrbeanstandungen des Vatikans gegen den Befreiungstheologen Jon Sobrino reagiert.

In einer "Antwort auf die Notifikation der Glaubenskongregation zur Theologie Jon Sobrinos" wird die Einschätzung zurückgewiesen, wonach manche christologische Positionen Sobrinos einen "schweren Schaden für die Gläubigen" und eine Gefahr für die Rechtgläubigkeit darstellen. Das Direktorium von "Concilium" dazu: "Wir bestreiten, dass Sobrinos Darstellung Jesu ... einen Bruch mit der kirchlichen Tradition darstellt". Sobrino stehe vielmehr in einer Kontinuität mit zeitgenössischen Theologen, die sich auf die Menschheit Jesu konzentrieren, ohne seine Göttlichkeit zu leugnen. Sobrino gehört selbst dem 19 Mitglieder zählenden Herausgebergremium der "Concilium"-Stiftung an, die den Text in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift veröffentlichen will.

Theologen bedauern den vatikanischen "Argwohn"

Im Antwortschreiben auf die "Notifikation" wird darauf hingewiesen, dass Sobrino die "Kenosis", die "Entäußerung Gottes" in der Person des verletzlichen, leidenden und gekreuzigten Menschen Jesus, überaus ernst nehme. Sobrino stehe für eine Theologie, derzufolge die christliche Heilsbotschaft ihre Plausibilität und Relevanz im jeweiligen historischen Kontext erweisen muss. Statt mit Verdächtigung und Maßregelung solle dem Bemühen darum mit Dankbarkeit und Anerkennung begegnet werden, so die "Concilium"-Herausgeber. "Wir bedauern außerordentlich den gegenwärtigen Argwohn in der römisch-katholischen Hierarchie gegenüber allen Versuchen, christliche und katholische Traditionen im Licht der 'Zeichen der Zeit' neu durchzudenken", heißt es weiter. Das "Concilium"-Direktorium betonte, nicht automatisch allem zuzustimmen, was Sobrino geschrieben habe; dennoch bleibe unklar, warum nach Ansicht der Glaubenskongregation die christologischen Positionen Sobrinos eine akute Gefahr darstellen. Überzeugende Argumente dafür fehlten. Als "alarmierend" erscheint den Unterzeichnern, dass die "Notifikation" eine katholische Teiltradition als die ganze theologische Wahrheit repräsentierend darstellt.

Kein Lehr- und Publikationsverbot

Die Glaubenskongregation hatte die 20-seitige "Notifikation" über einige Schriften Sobrinos Mitte März veröffentlicht. Diese Schriften würden "in einigen Abschnitten erhebliche Abweichungen von der Lehre der Kirche enthalten", heißt es darin. Zugleich wurde seitens des Vatikans klargestellt, dass die "Notifikation" kein ausdrückliches Lehr- und Publikationsverbot enthält, wie vorab spekuliert worden war.

Für Reform der Glaubenskongregation

Mittlerweile haben zahlreiche Theologen auf der ganzen Welt für Sobrino Partei ergriffen und dessen Rechtgläubigkeit verteidigt. Der emeritierte Tübinger Dogmatiker Peter Hünermann forderte in der "Herder Korrespondenz" eine "intelligente Neugestaltung" der vatikanischen Glaubenskongregation. Diese trage als Nachfolgeorganisation des Heiligen Offiziums im Grunde immer noch die Struktur einer "frühneuzeitlichen Zensurbehörde". Die Glaubenskongregation nehme aber heute die wichtigste Funktion in der Qualitätssicherung der Theologie wahr, so Hünermann. Dazu müsste sie anders strukturiert sein und mit "wissenschaftlichen Autoritäten" zusammenarbeiten. Im Fall Sobrino sei es notwendig, dass die Glaubenskongregation ihr Urteil überprüfe. Manches sei "schlicht falsch" oder beruhe auf "flüchtiger Lektüre". Rund 100 katholische Professoren vor allem deutscher und österreichischer Provenienz unterstützen mittlerweile seinen Vorstoß, teilte Hünermann der deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA mit.

Auch "Wir sind Kirche" für eine Reform

Begrüßt wurde die Forderung Hünermanns nach einer Reform der Glaubenskongregation von der Basisbewegung "Wir sind Kirche". Bei der Reformbewegung zeigt man sich darüber erfreut, "dass jetzt endlich wieder einmal Theologen und Theologinnen ihre kritische Stimme zum theologischen Diskurs und Widerspruch erheben - so wie ihn Joseph Ratzinger/Papst Benedikt in seinem jüngst erschienenen Jesus-Buch selbst für sich erbeten hat".

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Webcast:

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- Orientierung, 18. 03. 2007: Jon Sobrino - Ein Theologe an der Seite der Armen

Zuletzt geändert am 14­.05.2007