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Veröffentlicht am 01­.06.2017

Juni 2017 – „Kirche In“ (Kolumne „Unzensiert“)

Reformation ökumenisch

Die Hälfte des Jahres, in dem wir der Reformation vor 500 Jahren gedenken, ist geschafft. Die vorgeschaltete Lutherdekade hat dazu geführt, dass es ein vertieftes und differenzierteres Bild des „Weltereignisses“ vor 500 Jahren gibt. Die Bedeutung der anderen Reformatoren wird zunehmend gewürdigt, aber auch die Schattenseiten Luthers wie sein Aufruf zur Judenmission werden beleuchtet. Die Komplexität der Reformation für Europa als religiös-politische Zeitenwende ist herausgearbeitet worden.

Es ist auch gut, dass dieses Jahrhundertgedenken zum ersten Mal von den beiden großen Kirchen gemeinsam begangen wird. Sehr eindrücklich war da der Besuch von Papst Franziskus am 31. Oktober 2016 beim Lutherischen Weltbund in Lund – eine Begegnung auf Augenhöhe. Papst Benedikt dagegen hatte 2011 in Erfurt nur die Fragen des noch katholischen Augustinermönches Martin gewürdigt und mit voller Absicht keine „Gastgeschenke“ mitgebracht.

Die aktuellen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kardinal Reinhard Marx und Heinrich Bedford-Strohm, geben ein immer stärkeres Bild der Eintracht ab, besonders seit ihrer gemeinsamen Israel-Reise und dem ökumenischen Buß- und Versöhnungsgottesdienst „Healing of Memories“ am 11. März 2017 in Hildesheim. Immer mehr gesellschaftspolitische Erklärungen werden gemeinsam verfasst, denn man hat begriffen, dass – wenn überhaupt – kirchliche Positionen nur noch wahrgenommen werden, wenn sie sich nicht mehr im theologischen Klein-Klein verzetteln. Aber selbst beim Versöhnungsgottesdienst in Hildesheim gab es noch keine gemeinsame Mahlfeier.

Jetzt könnte sich auch in dieser Frage, die angesichts der vielen konfessionsverbindenden Ehepaare keine Randfrage ist, etwas bewegen. „Wir dürfen im Reformationsjahr nicht nur bei freundlichen Gesten bleiben“, so der frühere Ökumene-Kardinal Walter Kasper, aber die Entscheidung liege bei den deutschen Bischöfen. Die müssten konkrete Vorschläge machen. Offenbar hat der Vatikan signalisiert, eine Öffnung in der Abendmahlsfrage zu akzeptieren. Doch eine Minderheit der 27 Diözesanbischöfe scheint sich noch dagegen zu sperren.

Nur fünf Monate bleiben noch bis zum entscheidenden Gedenktag: Wird sich bis dahin die Deutsche Bischofskonferenz als Ganzes in Richtung Ökumene bewegen und wird es endlich auch in der Abendmahlsfrage konkrete Fortschritte geben? Aber auch wenn das geschafft ist: In der Ökumene darf es auch nach Ende des Reformationsgedenkens keinen Stillstand geben. Zwei Milliarden Christinnen und Christen könnten die Welt verändern, wenn sie sich gemeinsam in der Nachfolge Jesu für Gerechtigkeit und Barmherzigkeit einsetzen würden – wenn nötig auch im Widerstand zu den herrschenden politischen und wirtschaftlichen Mächten, ganz dem Beispiel Jesu folgend.

Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
www.wir-sind-kirche.de

Zuletzt geändert am 16­.10.2017