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Veröffentlicht am 10­.05.2014

Mai 2014 - Kirche In

Signalwirkung weit über Limburg hinaus

Die Affären um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst haben die Kirche weit über Limburg und Deutschland hinaus erschüttert. Ein schmerzhafter Konflikt, der die Notwendigkeit einer grundlegenden Erneuerung aufzeigt. Von Christian Weisner, Bundesteam der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche.

Die Erleichterung war überall sehr groß, als am 26. März 2014 verkündet wurde, dass Papst Franziskus das Rücktrittsgesuch von Tebartz-van Elst angenommen hat. Etwas anderes konnte sich eigentlich niemand in Deutschland vorstellen. Doch angesichts der Unterstützung, die Kardinal Gerhard Ludwig Müller und Erzbischof Georg Gänswein diesem jungen Hoffnungsträger aus der Ära Benedikt bis zuletzt auch über die Medien gewährten, war das Bangen groß.

Verwunderlich war, dass der Amtsverzicht bereits vom Oktober 2013 datierte, als Franziskus dem Limburger Bischof eine Auszeit außerhalb seines Bistums gewährte. Wäre es nicht besser gewesen, wenn der Papst den Amtsverzicht schon damals angenommen hätte? Den Priestern und dem ganzen Bistum wäre ein langes quälendes Warten erspart geblieben. Andererseits: Dass Franziskus die Untersuchung in die Hand der Deutschen Bischofskonferenz legte und seine Entscheidung auf der Grundlage von Tatsachen traf, ist ein neues und gutes Zeichen von Delegation und Verfahrenssicherheit.

Lesenswerter Untersuchungsbericht

Dieser Untersuchungsbericht, dessen Veröffentlichung Tebartz-van Elst bis zuletzt verhindern wollte, hat es in sich. Der fünfköpfigen Prüfkommission unter Vorsitz des finanzerfahrenen Paderborner Weihbischofs Manfred Grothe ist es hoch anzurechnen, dass es ihr gelang, das bewusst auf Vertuschung und Verschwiegenheit angelegte „System Tebartz“ in so kurzer Zeit aufzuklären und im 108-seitigen Abschlussbericht auch klar zu benennen. Die „impertinenten Prüfer“ – so Tebartz-van Elst – stellten eine Reihe von Mängeln oder Verstößen gegen das Vermögensrecht fest. Diese reichen von einer rechtlich fragwürdigen Initialinitiative des Domkapitels für die Baumaßnahme (vor der Zeit von Tebartz-van Elst) bis hin zu zahlreichen Versäumnissen, dem Domkapitel bzw. dem Diözesanvermögensverwaltungsrat Rechtsgeschäfte zumindest zur Anhörung vorzulegen.

Der Bericht enthält eine umfassende Rekonstruktion der Tätigkeit des 2011 vom Bischof neu eingerichteten Vermögensverwaltungsrats des Bischöflichen Stuhls, der andere zuständige Kontrollgremien ablöste. Ob diesem Verwaltungsrat dann die für eine verantwortungsgerechte Beschlussfassung erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt wurden, darüber bestehen erhebliche Zweifel. Zugleich wird festgestellt, dass der Rat seinen Pflichten nicht in ausreichendem Maß nachkam. Fazit: Dem geltenden Recht wurde in zahlreichen Fällen nicht Rechnung getragen.

Die wahren Ursachen

Auch die sich aus der hierarchischen Struktur der Kirche ergebenden Ursachen werden bemerkenswert klar benannt: „Der Diözesanbaumeister, der Geschäftsführer, die Mitglieder des Verwaltungsrates und nicht zuletzt auch der Generalvikar respektieren die hierarchische Struktur einer Diözese in der Katholischen Kirche und selbstverständlich Würde und Stand des Bischofs als durch Weihe legitimierter Inhaber des höchsten Leitungsamtes im Bistum und folgen deshalb nicht nur seinen Anweisungen jederzeit loyal, sondern versuchen, möglichst all seine Wünsche zu erfüllen. Widerspruch oder Widerstand gegen den Bischof hätten ... in Gewissensnöte geführt.“

Die im Kommuniqué des Vatikan verwendete Formulierung, dass es „in der Diözese Limburg zu einer Situation gekommen ist, die eine fruchtbare Ausübung des bischöflichen Amtes durch S.E. Mons. Franz-Peter Tebartz-van Elst verhindert“, entspricht derjenigen, mit der ein Pfarrer gegen seinen Willen von seinem Amt enthoben werden kann. Aber es waren nicht nur die auf über 31 Millionen Euro explodierenden Kosten für das Bischofshaus und es war nicht nur die eidesstattliche Falschaussage, für die er 20.000 Euro zahlen musste, wegen seines 1. Klasse-Flugs nach Indien.

Der Anfang 2008 zum Bischof von Limburg ernannte Franz-Peter Tebartz-van Elst hat nie eine breite Vertrauensbasis im Bistum gefunden. Der autoritäre Kommunikations- und Leitungsstil stand im krassen Gegensatz zu den Vorgängerbischöfen Wilhelm Kempf und Franz Kamphaus, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil einen „Synodalen Weg“ für das Bistum Limburg eingeschlagen hatten. Kamphaus war auch der letzte deutsche Bischof, der sich gegen den vom Vatikan gezwungenen Ausstieg aus dem gesetzlichen System der Schwangerenkonfliktberatung wehrte. Dieses Bistum sollte Tebartz-van Elst wieder auf die römische Linie bringen. Unter Papst Benedikt hätte das, wenn auch mit vielen Konflikten im Bistum, vielleicht noch gelingen können. Der zwischenzeitliche Papstwechsel aber machte die eklatanten Differenzen im Bischofs- und Kirchenverständnis zwischen Franziskus und Franz-Peter deutlich. Da konnten selbst die Vermittlungsversuche des päpstlichen Gesandten Kardinal Giovanni Lajolo im letzten Herbst nichts mehr ausrichten.

Neue Transparenz?

In seiner ersten Stellungnahme nach der erlösenden Entscheidung aus Rom sprach der neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, allein fünf Mal von Transparenz. Das klingt gut. Aber es reicht nicht aus, wenn nur „die Entscheidungsgremien- und -strukturen der katholischen Kirche, die teils über Jahrhunderte gewachsen sind und sich an vielen Stellen bewährt haben, deutlicher erklärt und nachvollziehbar gemacht werden.“ Wie es (Kirchen-)Politiker so machen, verwies Marx auf eine Arbeitsgruppe der Bischofskonferenz, die „Handlungsempfehlungen“ erarbeiten soll. Und als Mitglied des achtköpfigen Beratergremiums von Franziskus, obliege ihm „ja auch auf der Ebene der Weltkirche die Aufgabe, daran mitzuwirken, dass die Finanzen der Kirche transparenter und nachvollziehbar organisiert und dargestellt werden.“

So schmerzhaft der Konflikt vor allem für das Bistum Limburg war und ist, so hat er doch – und das ist das Positive – die schon lange gestellten Systemfragen wieder auf die Tagesordnung gebracht: das Bischofsprofil und das Verfahren der Bischofsernennung, eine wirksame Kontrolle von Entscheidungsprozessen und kirchlichen Finanzen sowie das Zusammenwirken von Kirche und Staat (der viele kirchliche Einrichtungen in Deutschland mit bis zu 100 Prozent unterstützt). Das Limburger Bistum sollte jetzt nicht zu schnell zur alten Geschlossenheit wiederfinden. Erst einmal muss die Ära Tebartz aufgearbeitet werden. Zahlreiche kirchliche MitarbeiterInnen sind in den zurückliegenden Jahren schweren Belastungen ausgesetzt gewesen. Das „Klima der Angst“, das leitende Priester und der „Hofheimer Kreis“ bereits lange vor dem Offenbarwerden des Bau-Skandals öffentlich machten, hat gerade im Verwaltungsapparat seine Spuren hinterlassen. Auch viele Sachentscheidungen wie die übereilte Neuordnung der Gemeindestrukturen sind noch einmal zu überprüfen.

Lernen aus Limburg

Der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, der bis vor Kurzen der Bischofskonferenz vorstand, hat seine Kollegen gemahnt, aus dem Skandal um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst zu lernen. Aus manchen Äußerungen spreche ein nochmals gewachsenes Misstrauen „gegenüber uns Bischöfen, vor allem unserem Leitungs- und Lebensstil“. Dem ist nur beizupflichten. Für das Erzbistum Köln, dem wohl reichsten deutschen Bistum, wurde gerade aufgedeckt, dass das attraktive Dom-Forum vor 20 Jahren über eine niederländische Briefkastenfirma erworben wurde, um Steuern zu sparen. Der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki muss jetzt ausführlich begründen, warum die Hedwigs-Kathedrale restauriert werden muss. Und in den USA hat ein Bischof den Kauf eines Bischofshauses rückgängig gemacht, das „nur“ 1,6 Mio. Euro gekostet hat. Das Fazit von Johannes zu Eltz, Frankfurter Stadtdekan und Mitglied des Domkapitels: „Die Amtskirche, die wir kannten, ist erledigt.“

Zuletzt geändert am 13­.04.2014