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Veröffentlicht am 30­.10.2006

30. Oktober 2006 - Augsburger Allgemeine

Gemeinden leben auch ohne Pfarrer

Kirchenvolksbewegung zeigt in Augsburg alternative Visionen

Augsburg (loi). Ihre Pfarrei zählt 4000 Katholiken. In acht Jahren hat sie ein Drittel mehr ehrenamtliche Mitarbeiter gewonnen. 100 Kinder und Jugendliche sind aktiv dabei. Geleitet wird sie von einem Ehepaar, das offiziell vom Bischof dazu beauftragt ist. Dieses Gemeindemodell, verwirklicht in Therwil im schweizer Kanton Basel, stellte Elke Kreiselmeyer auf der Bundesversammlung der Kirchenvolksbewegung am Samstag in Augsburg vor.

“Bis auf die zwei Worte bei der Wandlung können wir eigentlich alles tun", sagte die 38jährige Theologin, die vor ihrem Wechsel in die Schweiz in Kempten tätig war. Im Bistum Augsburg habe man die Pastoralassistenten als Konkurrenz der Priester angesehen. Dagegen sei sie im Basler Ordinariat „richtig nett" behandelt worden, erzählte Kreiselmeyer. Sie dürfe taufen, trauen, predigen, beerdigen. Mit der reformierten Pfarrerin feiert sie „freie Gottesdienste, die wir uns immer wünschten".

Eine Alternative zu den ausgedünnten Pfarreien in Deutschland, die wegen des Priestermangels zu immer größeren Einheiten zusammengeführt werden, wollte die Initiative „Wir sind Kirche" mit diesem Modell Therwil aufzeigen. „Der pastorale Großraum liefert nur den Vorwand für die Aufgabe bisheriger Strukturen", kritisierte das Vorstandsmitglied Sigrid Grabmeier (Deggendorf). Es gebe Menschen mit Sehnsucht nach Ruhe und Ankunft. „Viele Katholiken sind bereit, selber Verantwortung zu Übernehmen", sagte Grabmeier. Eine selbst sorgende Kirchengemeinde habe auch in schwierigen Lagen mehr Kraft. „Aber wollen die deutschen Bischöfe uns so?"

Zum Tagungsthema „Gemeinde, die uneingelöste Vision" warnte der Augsburger Pastoraltheologe Prof. Hanspeter Heinz sowohl die Kirchenvolksbewegung als auch die Bischofskonferenz vor Utopien, die nur mutlos machen. Weder gebe es ein Zurück in ein goldenes Zeitalter noch werde sich der Problemstau von selbst abbauen. „Wir sollten uns fragen: Was geht jetzt?", riet Heinz. Kirche müsse das tun, was kein anderer in der Gesellschaft tun kann. Sie sollte sich zum Partner für Leute in verschiedenen Milieus - auch solchen ohne eine Kirchenbindung - machen, ohne sie vereinnahmen zu wollen. Heinz stellt sich eine flexible Kirche vor, die den Sehnsüchten und Nöten der Menschen auf ihren Lebenswegen in Arbeit, Freizeit und Bildung nachgeht und nicht auf einen Fleck fixiert ist.

Zuletzt geändert am 04­.11.2006