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Veröffentlicht am 02­.10.2013

2.10.2013 - SWR2 "Tagesgespräch" 7:07

„Wir sind am Anfang einer neuen Kirchen-Epoche“

Christian Weisner, Mitglied im Bundesteam der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche", im Gespräch mit Pascal Fournier Die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ sieht die katholische Kirche vor einem tiefgreifenden Umbruch. Die Einsetzung eines achtköpfigen Kardinalsrates, der im Auftrag des Papstes eine Kurienreform erarbeiten soll, markiere möglicherweise den Beginn einer neuen Kirchen-Epoche, sagte Christian Weisner vom Bundesteam von „Wir sind Kirche“ im Südwestrundfunk (SWR). Weisner verglich im SWR-Tagesgespräch die Tragweite von Franziskus‘ Reformkurs mit der Einberufung des II. Vatikanischen Konzils durch Papst Johannes XXIII vor 50 Jahren. Aufgabe der Kirche sei nun, Franziskus‘ Impuls aufzugreifen und weiter zu tragen.

Die deutschen Bischöfe forderte er auf, sich auf diesen Wandel einzulassen. Weisner wörtlich: „Wenn der Papst einen alten Renault 4 mit 300.000 Kilometern fährt und die deutsche Bischöfe haben Chauffeure und neue BMWs, Audis und Mercedesse – das passt nicht zusammen!“ Die Bischöfe müssten aufpassen, jetzt nicht zu einer Isolierschicht zwischen dem Papst und dem Kirchenvolk zu werden, sagte Weisner im SWR-Interview.

Zugleich äußerte er sich skeptisch über die Rolle des einzigen europäischen Vertreters im Kardinalsrat, des Münchner Erzbischofs Reinhard Kardinal Marx. In Deutschland habe dieser sich bislang nicht sonderlich dialogbereit gezeigt – da müsse er „noch sehr viel von Franziskus lernen“.

http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/tagesgespraech/-/id=660264/nid=660264/did=11948186/j8or04/index.html > Audio

Wortlaut des Live - Gesprächs:

Fournier : Geste rn hat erstmals der neue Kardinalsrat getagt - inoffiziell K8 genannt. Also acht Kardinäle, die den Paps t in Fragen der Kirchenleitung b eraten und unter anderem eine umfassende Kurienreform erarbeiten sollen. Sollte die Runde gestern schon erste Ergebnisse erzielt haben, hat sie es jedenfalls für sich behalten . Offizielle Information gab es nicht. Herr Weisner, bislang ist Franziskus ja sehr kirchen - volksnah aufgetreten. Jetzt dieses Expertengremium, dieser Rat der Weisen, aus dem nichts nach außen dringt. Wie muss man diesen Kardinalsrat aus Kirchenvolkssicht verstehen?

Weisner : Das ist eine ganz entscheidende Aufgabe, den n die Krise in der k atholischen Kirche VatiLea ks, Va tikanbank, sexueller Missbrauch - d as ist alles noch längst nicht vorbei. Und wir sind noch wirklich bei den Aufräumarbeiten. Aber Franziskus hat schon so viel positive Signale gesetzt, d ie müssen diese K8 - Kardinäle jetzt weiter arbeiten. Und die sollen die Erfahrungen aus den einzelnen Kontinenten, wo sie herkommen, nach Rom bringen. Rom selb er schafft keine Kurien reform mehr. Aber sie müssen auch den Geist von Franziskus auch wieder in die Diözesen, hier in die Ortskirchen, bringen. Und da fehlt es noch. Also, ich denke , wir sind wirklich erst an einem Anfang des Anfangs, aber das ist ein Proz ess, der wirk lich einen Epoch ewandel in der k atholischen Kirche hoffentlich auch bewirkt.

Fournier: „Wir sind Kirche“ hat immer vor einer Kurienreform von oben nach unten, also hinter verschlossenen Türen , gewarnt. Aber mit diesem Kardinalsgremium, das de r Papst einberufen hat: I st das nicht genau das, dass etwas von oben nach unten runter dekliniert wird?

Weisner: Es ist wirklich der Impuls von Franziskus ausgegangen, und das ist gut so. Es braucht diesen Impuls. Und das ist , denke ich , die Schwäche, ab e r manchmal auch die Stärke der k atholischen Kirche, dass ein Mensch an der Spitze eine neue Richtung vorgeben kann. Franziskus hat ja in seinen Predigten, in seinem Interview, gerade noch mit den Jesuitenzeitung en und jetzt gestern „ La Repub b lica “ hat er ja s o deutliche Worte für die Krise , aber auch für das, was nötig ist , gefunden. Wir müssen das alles nur umsetzen. Ich kann mir aber vorstellen, dass natürlich den Bischöfen das gerade in Deutschland besonders schwer fällt. Wenn der Papst selber einen alten Ren ault 4 fährt mit 300.000 Kilometern und die deutschen Bischöfe haben Chauffeure und neue BMW, Audis und Mercedes s e - d as passt nicht zusammen. Die müssen sich wirklich umstellen. Da ist ein Mentalitätswandel dringend notwendig. Das Kirchenvolk ist zum große n Teil, das weiß ich, auf der Seite von Franziskus. Die Bischöfe müssen aufpassen, dass sie jetzt nicht zu einer Isolierschicht werden und sich dazwischen stellen.

Fournier: Franziskus hat sich ja schon über etliche vatikanische Gepflogenheiten geflissentli ch hinweggesetzt. Sie haben den R4 angesprochen, ich erinnere an den Hermelin, den er nicht tragen wollte und das Luxusappartement, das er nicht bewohnen will usw. Aber hat er nach einem halben Jahr Ihrer Ansicht nach schon genügend Hausmacht, um sich so e ingehend mit der Kurie dann auch anzulegen?

Weisner: Das ist eine ganz schwierige Frage. Ich stell mir das hier immer in München vor: Siemens - Konzern , auch sehr negative Entwicklung, u nd da kommt einer von Taiwan meinetwegen her und soll diesen Weltkonzer n aufräumen. Das geht nicht von heute auf morgen. Aber, der Papst hat mit dem Namen Franziskus eine ganz starke Botschaft, die selbst im Islam verstand wird. Er hat mit den Jesuiten eine Hausmacht. Es gibt 16 - tausend Jesuiten weltweit, das sind Multiplikat oren , die wirken. Und er hat wirklich auch die Kardinäle, die ihn gewählt haben. Die haben ihn ja gewählt, weil sie auch sagen: E s ist an der Zeit, die Kirche darf n icht nur um sich selbst kreisen, s ie muss sich wieder ihren eigentlichen Aufgaben in der Wel t zuwenden. Un d ich denke , das Wichtigste ist: E r bringt die Erfahrung der Pastoral ein. Und das ist natürlich etwas, was wirklich für die Kirche der Zukunft wieder wichtig ist. Wir brauchen weniger Theologieprofessoren als Bischöfe, sondern, er sagte es j a selber, wir brauchen gute Hirten, die etwas von Pastoral verstehen. Und dann kommen die ganzen anderen Fragen, die auch auf unserer Reformagenda stehen: die Fraue n in der Kirche, die Frage der geschiedenen Wiederverheirateten, die Frage der Homosexuellen in der Kirche. Das kommt alles nach und nach. Im Augenblick sind wir am entscheidenden Schritt wirklich einer neuen Kirchenepoche. Er hat sie eingeläutet, aber wir müssen diese Glocke hören und weiter schlagen.

Fournier: Kehren wir zum Schluss unseres Gespr ächs nochmal zu diesem Gremium zurück. Acht Kardinäle aus allen Regionen der Welt. Der einzige europäische Vertreter im Gremium ist der Münchener Erzbischof Reinhard Kardinal Marx. Was sollte er Ihrer Meinung nach aus der e uropäischen Kirche in diesen Kardinalsrat tragen?

Weisner: Er hat eine ganz große Aufgabe . Er muss gewiss ermaßen in doppelter Weise Bote, Kurier, Briefträger sein. Er muss wirklich die pastoralen Probleme, die wir hier in den reichen Ländern haben, diese Erfahrung muss er mit runternehmen nach Rom. Und auf der anderen Seite muss er auch den offenen Geist von Franziskus mit hoch nehmen. Und er trifft sich dort in Rom mit Kardinälen, die aus Afrika, aus Indien, aus Mittel - und Südamerika berichten. Dieser Austausch is t wichtig. Und da bin ich noch ein bisschen skeptisch, wie das Kardinal Marx hinbekommt. Denn bisher hier in Deutschland hat er sich nicht als sehr dialogbereit gezeigt. Da ha t er doch eher immer von oben gesagt, was geht und was nicht geht. Und ich denke, da muss er noch sehr viel auch von Franziskus lernen.

Zuletzt geändert am 02­.10.2013