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Veröffentlicht am 07­.12.2012

7.12.2012 - Frankfurter Rundschau - Vorabmeldung

„Wir sind Kirche“ von Missbrauchs-Studie schockiert: „Skandal wird kleingerechnet“

Köln. Die katholische Reformgruppierung „Wir sind Kirche“ hält das Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie zum sexuellen Missbrauch durch katholische Geistliche für schockierend. Für vier von fünf psychiatrisch begutachteten Tätern habe es die Empfehlung gegeben, sie erneut oder weiterhin in der Seelsorge einzusetzen. „Das entspricht in keiner Weise der Nulltoleranz-Strategie etwa der US-Bischöfe und auch des Papstes“, sagte „Wir sind Kirche“-Vorstand Christian Weisner der FR/BLZ (Samstag-Ausgabe).

Im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz hatte der Forensische Psychiater Norbert Leygraf 78 Gutachten aus den Jahren 2000 bis 2010 untersucht, die zu Missbrauchstätern aus dem Bereich der 27 deutschen Bistümer angestellt worden waren. Leygraf kam im wesentlichen zu dem Ergebnis, dass nur die wenigsten Täter im klinischen Sinne „pädophil“ seien. Vielmehr seien persönliche Krisen die entscheidende Ursache für sexuellen Missbrauch. Es gebe im Vergleich zwischen Klerus und der männlichen Bevölkerung insgesamt keine signifikanten Unterschiede.

„Leygrafs Studie beseitigt nicht unsere Skepsis in puncto Aufarbeitung. Der Missbrauchsskandal wird definitorisch kleingerechnet“, sagte Weisner. Das pastorale Problem des Glaubwürdigkeitsverlusts von Kirche und Klerus komme ebenso wenig in den Blick wie eine Analyse der Ursachen, die Priester zu Tätern werden ließen. „Welche Männer werden Priester? Und wie werden sie in der katholischen Kirche sexuell sozialisiert?“ Diese Fragen lasse Leygraf völlig offen, sagte Weisner, der die Studie als „McKinsey auf katholisch“ kritisierte. Er bemängelte zudem, dass Leygraf als Gutachter beauftragt worden sei, obwohl er zuvor bei Tätern aus dem kirchlichen Raum auch therapeutisch gewirkt habe. „Behandler und Gutachter in einer Person, das kommt einem Zirkelschluss gleich“, so Weisner.

Zuletzt geändert am 08­.12.2012