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Veröffentlicht am 16­.06.2006

16. Juni 2006 - Publik-Forum

»Wir sind eine Kirche«

Gotthold Hasenhüttl klagt die Freiheit Jesu für Katholiken ein. Deutliche Worte beim Podium im Saarbrücker Staatstheater

Von Peter Rosien

Wenn es in der Kirche keine Gerechtigkeit gibt, kann es auch in der Welt keine geben.« Der 72- jährige Theologieprofessor Gotthold Hasenhüttl kommt in Fahrt: »Das Problem mit der traditionellen Kirchenlehre ist das pessimistische Menschenbild und das Gottesbild, das daran hängt. Aber Jesus hat uns durch sein Gottesbild davon befreit. In unserer Kirche könnte deshalb der Geist der Freiheit, der wahre Geist Gottes wehen. Aber er tut es nicht. Stattdessen herrschen das Gesetz und die Absolutsetzung der Institution. Da ist es dann sehr schwer, mit jemandem zu diskutieren, der sagt: Ich habe die Wahrheit und die Macht auf meiner Seite.«

Mit dem letzten Satz zielt der suspendierte Priester und mit Lehrverbot belegte Hochschullehrer auf den Bischof zu Trier, Reinhard Marx. Dieser hatte Hasenhüttl mit den genannten Sanktionen belegt, weil der am Rande des Ökumenischen Kirchentags 2003 in Berlin zu einer Eucharistiefeier »alle eingeladen« hatte, »die kommen mögen«, also auch Protestanten.

»Aber das war eigentlich nur ein Vorwand«, bekundet der Dogmatikprofessor bei einer Podiumsdiskussion im Staatstheater von Saarbrücken. In erster Linie ziele der Bischof und mit ihm weite Kreise der Hierarchie auf seine kritische Theologie des freien Geistes Gottes, wie er sie in seinen Büchern darstelle.

Das von Publik-Forum-Redakteurin Britta Baas schwungvoll moderierte Podium findet – fast muss man sagen natürlich: – auch wieder außerhalb des offiziellen Katholikentagsprogramms statt. Dennoch – oder gerade deshalb – ist das 900 Personen fassende Theater am Samstagabend bis auf den letzten Platz besetzt. Es ist denn auch das einzige Podium in Saarbrücken, das einen grundsätzlichen Konflikt thematisiert. Veranstalter sind Wir sind Kirche, die Initiative Kirche von unten (IKvu), die Bundes-ESG, die Leserinitiative Publik und Publik-Forum. Neben Hasenhüttl sitzt die evangelische Publizistikprofessorin Johanna Haberer auf dem Podium. Der ebenfalls eingeladene Hamburger Theologe Fulbert Steffensky hatte wegen am Vortag aufgetretener Gesundheitsprobleme absagen müssen. Für die Aufmunterung des Publikums und die Einstimmung ins Thema sorgte die kräftige Stimme der Sängerin Flois Knolle-Hicks, am Klavier begleitet von Bernd Göhrig, dem Geschäftsführer der IKvu.

Johanna Haberer, gefragt nach der Bedeutung der »Causa Hasenhüttl« für die Ökumene in Deutschland: »Theologisch ist das Thema Herrenmahl zwischen lutherischen Protestanten und Katholiken seit den 1980er Jahren abgehakt. Man ist sich einig: Es gibt keine Unterschiede im Verständnis. Strittig ist nur die Amtsstruktur im Hintergrund. Gleichwohl ist es ein Skandal, dass wir uns zwischen den beiden Konfessionen nicht wenigstens gegenseitige Gastfreundschaft am Tisch des Herrn gönnen können. Schließlich sind wir das einzige Land auf der Erde, in dem sich Katholiken und Protestanten zahlenmäßig die Waage halten.« Es sei ihr Eindruck, so die Theologin weiter, dass sich besonders seit Berlin ein neuer Konfessionalismus auf beiden Seiten breit mache. Auf protestantischer Seite fühle man sich auch etwas hintergangen, weil man registrieren müsse, dass sich die katholische Kirche seit geraumer Zeit verstärkt den Orthodoxen zuwende. »Nach so vielen Jahren intensivster ökumenischer Gespräche und Vereinbarungen ist das eine gewisse Treulosigkeit.«

Hasenhüttl greift das Thema auf: »Es ist ja viel in der Ökumene geschehen – bis hin zur gemeinsamen Erklärung der Konfessionen über die lutherisch so zentrale Rechtfertigungslehre. Dass es nicht zur eucharistischen Gastfreundschaft langt, liegt letztlich daran, dass auf katholischer Seite Machtansprüche der Hierarchie zementiert werden.« Haberer bringt es auf den Punkt: »Vor Ort in den Gemeinden wird die Gastfreundschaft ja immer wieder faktisch praktiziert. Was die Kirche nach Hasenhüttls Gottesdienst in Berlin fürchtet, ist offenbar, dass aus einem geduldeten Zustand ein exemplarischer werden kann. Dass es so weit kam, ist auch eine banale Schuld der Medien, die den Gottesdienst in Berlin zu einem Protest-Event hochgespielt haben.«

Erschwerend komme heute aber die Angst vieler Priester hinzu, so Hasenhüttl, die um ihre Pensionen fürchten müssten, wenn sie nicht ganz im Sinne ihres Bischofs handelten: »Das ist keine schöne Beobachtung.«

»Deswegen kann sich die katholische Kirche eigentlich nur von oben reformieren«, fährt Johanna Haberer fort. Aber von dem jetzigen Papst könne man eucharistische Gastfreundschaft nicht mehr erwarten. Gleichwohl sähen Millionen Christen beider Konfessionen Sonntag für Sonntag die wechselseitig gestalteten Gottesdienste im Fernsehen. »Da wird eine gemeinsame Spiritualität sichtbar, die uns zumindest noch bis zum ökumenischen Kirchentag in München tragen wird.«

Zuletzt geändert am 22­.06.2006