| |
Veröffentlicht am 15­.01.2010

15.1.2010 - Publik-Forum

Showtime für Mächtige?

Ökumenischer Kirchentag 2010 in München: Konflikt zwischen Widerständigen und Angepassten

Von Thomas Seiterich

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach Klartext. In ihrer Neujahrsansprache an die Nation sagte sie, die Deutschen sollten sich 2010 freuen auf die bevorstehende Fußball-WM in Südafrika sowie auf den zweiten deutschen Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) in München.

Kein anderes Treffen in Deutschland wird Anno 2010 vermutlich von so vielen Menschen besucht werden wie der ÖKT. Diese Erwartung erklärt die Nähe der Kanzlerin zu dem kirchlichen Großereignis, dessen örtliche Gastgeber der Münchner Erzbischof Reinhard Marx und Bayerns Landesbischof Johannes Friedrich sein werden. Beide bringen vielerlei Voraussetzungen mit: Friedrich fungiert als der offizielle Ökumene-Beauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Seit den Jahren 1985 bis 1991, in denen er als deutscher evangelischer Propst an der Erlöserkirche in Jerusalem intensive ökumenische Eintracht mit den nahöstlichen Katholiken erlebte, profiliert sich Friedrich als derjenige evangelische Kirchenführer in Deutschland, der mehr als all seine Amtskollegen ein außerordentliches Entgegenkommen gegenüber dem Papst und der katholischen Kirchenleitung an den Tag legt.

Wenn Erzbischof Marx - mit Seitenblick aufs päpstliche Rom, wo er baldmöglichst die Kardinalswürde erhalten möchte - kategorisch verkündigt: »Auf dem ÖKT 2010 gibt es kein ökumenisches Abendmahl«, dann stellt sich sein evangelischer Mitbischof Friedrich hinter ihn.

Erzbischof Marx bringt seine Erfahrung als Experte für katholischer Soziallehre sowie für Gerechtigkeitsfragen in Wirtschaft und Gesellschaft ein. Darüber hat er vor anderthalb Jahren »Das Kapital“ veröffentlicht, ein 320-Seiten-Buch, das zum Bestseller geworden ist. Die von Bischof Marx allgemein verständlich behandelten Wirtschaftsthemen und Gerechtigkeitsfragen werden in Zeiten der globalen Krise des Kapitalismus den ÖKT 2010 stark prägen.

Ist im Blick auf den Ökumenischen Kirchentag 2010 also alles paletti und nur noch weiß-blaues Münchner Sommerwetter für die ÖKT Tage vom 12. bis 16. Mai beim Heiligen Petrus zu bestellen? Mitnichten.

Denn zwei verschiedene Weisen von Kirche kämpfen um den prägenden Einfluss auf das große ökumenische Christentreffen. Das »prophetische Lager« versammelt sich als breites Bündnis um den Aufruf »Fair teilen statt sozial spalten« (www.oekt-netz.de). Über achtzig kirchliche und politische Organisationen, von der Katholischen Arbeitnehmerbewegung über die Evangelische Frauenarbeit bis zu Pax Christi, Wir sind Kirche, der Initiative Kirche von unten und der Leserinitiative Publik, wollen keinen liberal-unverbindlichen, sondern einen parteilichen ÖKT. Keine Showtime für Mächtige, sondern Ermutigung für eine breite Gerechtigkeits- und Solidaritätsbewegung für die Armgemachten, national und global.

Das »bürgerliche« Lager, vertreten vom Gros der Kirchentagsverantwortlichen in Gremien und Büros, möchte dagegen eher einen glanzvollen als einen parteilichen ÖKT: Allen Spitzenpolitikern wird der Ökumeneteppich ausgerollt. Smarte Veranstaltungsregie dichtet die meisten ihrer Auftritte voll gegen kritische Einsprüche ab. Und wenn dann Kirchentagsstars wie Bundespräsident Horst Köhler und Kanzlerin Angela Merkel die Krise verharmlosend mit den menschlichen Fehlern gieriger Banker und Manager erklären, klatscht das Publikum - umso mehr, da Politiker wie Köhler und Merkel sich glaubwürdig in vollen Hallen als gläubige evangelische Christen bekennen. Kirchenfunktionäre glänzen als Gastgeber bei solch freundlichen Politiker-Auftritten. Ja, sie lesen Politikern sogar wie Sankt Nikolaus aus dem Goldenen Buch einige Fehler und Versäumnisse vor - doch die kritische Debatte unterbleibt. Wie beim Evangelischen Kirchentag 2009 in Bremen. Der lieferte Kanzlerin Merkel just im Bundestagswahlkampf einen prachtvollen Rahmen für einen glänzenden Auftritt.

Kritische Gruppen, denen frühere Kirchentage locker Raum gaben, machen derzeit die Erfahrung, beim ÖKT nur unter erschwerten Bedingungen erwünscht zu sein. Die meisten ihrer Vorschläge werden abgelehnt. Wer als freie Initiative eine von der Leitung des ÖKT fürs Programm akzeptierte Veranstaltung durchführen möchte, muss dafür happige Summen zahlen. Ein Beispiel: Der ÖKT fordert 3500 Euro für die Veranstaltung »Grundeinkommen und Öko-Bonus« plus 250 Euro pro Referent - an solch hohen Summen scheitern viele der Initiativgruppen.

Um jeden Preis will die ÖKT-Leitung verhindern, dass es in München, wie beim ersten ÖKT 2003 in Berlin, öffentlich zu einer ökumenischen Eucharistiefeier kommt. Denn Rom untersagt Nichtkatholiken den Gang zur Kommunion. Daran halten sich die katholischen wie auch evangelischen ÖKT-Verantwortlichen strikt. Doch der eigens gegründete hochkarätige AK Ökumene arbeitet bereits in Köln an »kreativen Antworten auf die feste Front beider Oberkirchen in der Abendmahlsfrage«.

Zuletzt geändert am 20­.01.2010