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Veröffentlicht am 25­.11.2009

25.11.2009 - Augsburger Allgemeine

Nicht mit wehenden Fahnen vorangehen

Von Dieter Schöndorfer

Landsberg. Für „zu kurz gesprungen“ halten die Landsberger Priester Dekan Thomas Rauch und Reiner Hartmann die Forderungen des neuen Präsidenten des Zentralkomitees der Katholiken, Alois Glück, nach Abschaffung des strikten Zölibats. Als eher kontraproduktiv und letztlich wenig erfolgversprechend beurteilen die beiden Geistlichen das erneute Aufflammen einer Diskussion, die auch am heutigen Tag die verschiedensten Institutionen und Bewegungen beschäftigt.

Glück hatte geäußert, dass er es begrüßen würde, wenn „bewährte, verheiratete Diakone mit einer entsprechenden Fortbildung zur Priesterweihe zugelassen würden.“ Während der Augsburger Bischof Walter Mixa den Vorstoß sofort scharf kritisierte und als „fruchtlose, innerkirchliche Debatte“ bezeichnete, erfährt der CSU-Politiker Glück inzwischen die Unterstützung der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ und anderer. Die Sorge um den immer drastischer werdenden Priestermangel und den dadurch bedingten Abbau kirchlicher Strukturen werde immer größer. Doch den Lösungsweg, den sieht Reiner Hartmann, Stadtpfarrer in der Landsberger Pfarrgemeinde „Zu den Heiligen Engeln“ ganz woanders: „Es geht in der Kirche doch um eine geistliche Erneuerung, und das ist die große Herausforderung für uns.“ Ginge diese mit der Abschaffung des Zölibats einher, würde er diesen Weg unterstützen. Doch sieht er die Aufgabe viel komplexer. Seiner Meinung nach müsste dieses Thema aus dem weltweiten Kreis der Bischöfe angestoßen werden, um eventuell eine Änderung zu erreichen. Dass Alois Glück, den er persönlich bei einigen Treffen kennen- und schätzen gelernt habe, solche Äußerungen leichtfertig und um des Populismus willen getan habe, könne er sich nicht vorstellen.

Ebenso wenig wie Thomas Rauch, Dekan und Stadtpfarrer der Gemeinde Mariä Himmelfahrt. Er bestätigt die „große Not“ der katholischen Kirche auf Grund des zunehmenden Priestermangels. Allerdings dürfe auch die Parallelität zum Rückgang der Gottesdienstbesucher und der Gläubigen nicht übersehen werden, der ungleich größer sei. Zunächst aber gelte für ihn als Priester: „Die weltkirchlichen Vorgaben sind nun mal, wie sie sind.“ Die von Glück erneut angestoßene Diskussion hält er zum jetzigen Zeitpunkt für äußerst unglücklich und sogar kontraproduktiv. Das hat einen ganz gewichtigen Grund: das Jahr der Priester. Gerade jetzt, wo in der katholischen Kirche für Pfarrernachwuchs geworben werde - er selbst habe am vergangenen Sonntag mit der Gemeinde ein Berufungsgebet in den Gottesdienst eingebaut -, wo man die Frage stelle, wer sich unter der Voraussetzung des Zölibats berufen fühle, diesen „positiven, schönen und attraktiven Beruf“ zu ergreifen, sei es geradezu fatal, eine solche binnenkirchliche Nabelschau zu betreiben. In einem anderen Punkt stimmt er Alois Glück allerdings zu: „Es gibt kein göttliches Recht auf den Zölibat“.

Keinen Seelsorger, aber gute Mitarbeiter

Und auch Christian Weisner, Sprecher der Bewegung „Wir sind Kirche“, wird in der Saarbrücker Zeitung zitiert, dass selbst der heutige Papst 1970 in seinem Buch „Glaube und Zukunft“ geschrieben habe, dass die Kirche der Zukunft neue Formen des Amtes kennen wird. Dies sieht Reiner Hartmann genauso: „Der Anspruch, immer und überall einen Pfarrer dabei zu haben, wird sich ändern müssen.“ Für viele Situationen bräuchte es keinen Seelsorger, aber gute Mitarbeiter. Wo hingegen ein echtes Anliegen hinter der Forderung stehe, werde es auch funktionieren.

Die Frage nach dem Wert des Zölibats beantworte sich einfach: „Er weist hin auf die spirituelle Dimension.“ Der Zölibat bestehe nicht nur aus der ehelosen Keuschheit, sondern aus Werten wie Armut (einfache Lebensweise) und Gott zu gehorchen (Gehorsam). Er möchte einer Abschaffung nicht „mit wehenden Fahnen“ vorangehen.

Zuletzt geändert am 25­.11.2009