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Veröffentlicht am 01­.07.2022

Juli 2022 – Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

Volk Gottes statt Ständewesen

„Von göttlicher Schar bist du geschieden, ausgestoßen aus der Ewigen Stamm: gebrochen ist unser Bund, aus meinem Angesicht bist du verbannt!“ – Nein, das ist keine Formel zur Laisierung eines Priesters durch Bischof oder Papst. Dieser Text stammt aus dem dritten Akt Walküre von R. Wagner. Mit diesen Worten bestraft Wotan seine Tochter Brünnhilde dafür, dass sie ihren Auftrag nicht seiner Weisung gemäß erfüllt hatte, weil sie die innige Liebesbeziehung des Geschwisterpaars schützen wollte. - Beim rührenden Abschied vom „wonnigen Kind“ küsst er die Gottheit von ihr.

Bei einer Laisierung wegen Straftaten geht es bestimmt nicht so rührselig zu, aber im Prinzip geht es um’s gleiche. Das Besondere, das Erhebende wird einem Priester zur Strafe entzogen, er muss sich fortan mit dem herkömmlichen „Menschengeschlecht“ gleich gemacht sehen. Was ist das denn für ein Menschenbild, wenn es so schlimm ist, kein Priester zu sein? Was ist das für ein Priesterbild, wenn es so schlimm ist, „nur“ ein Laie zu sein. Als überzeugte Lain, Mitglied des Volkes Gottes, empfinde ich es wirklich als Zumutung, wenn z.B. ein wegen langjähriger sexueller Gewalt vor einem staatlichen Gericht zu einer Freiheitsstrafe verurteilter Priester in den Laienstand versetzt wird. Das hat, worauf Bischof Overbeck in Essen ebenfalls hinwies, zufolge, dass der Priester außerhalb der Reichweite des Bistums steht, das nun weder Verpflichtung noch freiwillige Verantwortung für den Ex-Priester übernehmen muss und kann. - Darüber hinaus empfinde ich so ein Handeln als Herabwürdigung des sogenannten „Laienstandes“.

In der neuen Kurienreform ist erfreulicherweise geregelt, dass in Zukunft die „Dikasterien“, so etwas wie Ministerien, nicht mehr nur durch Geweihte geleitet werden können, sondern durch geeignete Frauen und Männer ohne Weihe. Das ist ein ganz wichtiger Schritt in die Zukunft der Kirche. Denn das sollte auch auf Gemeinde- und Bistumsebene dazu führen, dass nicht mehr der Klerus allein das letze Wort haben wird.

Zufrieden kann ich damit noch lange nicht sein, denn immer noch heißt es im kirchlichen Strafrecht von 2021: "Jeder, der einer Frau die heilige Weihe zu spenden versucht, wie auch die Frau, welche die heilige Weihe zu empfangen versucht, zieht sich die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation als Tatstrafe zu" (can. 1379 §3). – Und wäre das nicht Strafe genug, so kann ein Kleriker zusätzlich aus dem Klerikerstand entlassen werden. Da sind wir wieder: die Laien sind von der „göttlichen Schar“ geschieden. Als Konsequenz sollte die Rede vom Laienstand und vom Priesterstand beendet werden. Alle gehören zum Volk Gottes.

Sigrid Grabmeier

Wir sind Kirche Deutschland

 

Zuletzt geändert am 21­.06.2022