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Veröffentlicht am 01­.05.2019

Mai 2019 – „Kirche In“ (Kolumne „Unzensiert“)

„...dass die Kirche, was sie festgelegt hat, auch verändern und abschaffen kann.“

Bei der letzten Bundesversammlung von Wir sind Kirche Deutschland in Würzburg referierte der Theologe und Journalist Joachim Frank. Ein Satz, den er zitierte überraschte die Teilnehmenden besonders. Nicht nur der Satz selbst, sondern auch der Autor und die Stelle. „… so wissen alle, dass die Kirche,  was sie festgelegt hat, auch verändern und abschaffen kann.“ Das schrieb ein Papst, nämlich Pius XII., in seiner Apostolischen Konstitution „Sacramentum Ordinis“ - Materie und Form des Weiheamtes im Jahr 1947.

Interessant ist auch der Satz vorher: „Daraus folgt, ..., dass die Übergabe der Geräte nach dem Willen Unseres Herrn Jesu Christi selbst nicht zum Wesen und zur Gültigkeit dieses Sakramentes erforderlich ist.“

In dieser Konstitution wurde den Zweifeln hinsichtlich der Gültigkeit der Weihe begegnet, die sich daraus ergeben konnten, dass der Ritus der Übergabe von Kelch und Schale nicht vollzogen wurde. Dieser Ritus war um das Jahr 900 in der Westkirche aufgekommen, um zusätzlich zur Handauflegung ein sichtbares Zeichen der Ordination zu setzen.

Die beiden og.. Sätze eröffnen ganz neue Perspektiven. Auf einmal wird der Willen „Unseres Herrn Jesus Christus“ bzw. das, was ihm nicht ausdrücklich als Willen nachgewiesen werden kann, relevant bzw. nicht relevant für das Wesen und die Gültigkeit eines Sakramentes.

Ich meine, insofern wird hier das Sakrament der Ordination selbst und noch so einiges anderes  in Frage gestellt. Denn wie und wann hätte Jesus die Ordination, und noch dazu ausschließlich für ehelos lebende, Männer zu Gemeindeleitern, Kultvorständen, Regionalaufsehern und Besetzern des Heiligen Stuhls zum Ausdruck gebracht? Wann hätte er Vorschriften gemacht über Kleidung, Knöpfe oder Krägen? Wann hätte er Choreographien entworfen zum Umschreiten von Altären oder die Verehrung von Reliquien? Wann hätte er sich Ehrentitel ausgedacht oder eine eigene Garde aufgestellt, Staatsdotationen beansprucht oder Kirchensteuer erhoben?

Angesichts einer Kirche, die in ihrem Gerümpel, an ihrem Traditionsbewusstsein und ihren, angeblich theologischen, Spitzfindigkeiten und Winkelzügen zu ersticken und dann zu implodieren droht, wäre eine Besinnung auf diese beiden Sätze und ihre erneute Befolgung bei allen uns heute auf den Nägeln brennenden Themen vielleicht der rettende Luftröhrenschnitt.

Sigrid Grabmeier

Zuletzt geändert am 21­.05.2019