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Veröffentlicht am 18­.03.2017

18.3.2017 - Neues Ruhr-Wort

Es kommt auf die Zwischentöne an

Ein Interview mit Papst Franziskus nährt Hoffnungen und löst Dämpfer aus

Sie haben es als „Coup“ gefeiert, die Journalisten der „ZEIT“: Als erste deutsche Zeitung haben sie ein persönliches Interview mit Papst Franziskus geführt und in der vergangenen Woche veröffentlicht. Erwartungen und Aufmerksamkeit sind in so einem Fall naturgemäß hoch, umso mehr noch, als just zum Zeitpunkt der Veröffentlichung die Deutsche Bischofskonferenz ihre Frühjahrsvollversammlung abhielt.

Und ähnlich innerkirchlich brisante beziehungsweise viel diskutierte Themen auf der Tagesordnung hatte, wie der Papst und ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo bei ihrer Begegnung in Rom: Priestermangel und Zölibat, die Zukunft der Kirche und das – zum Leid - wesen der Katholikinnen – „ewige“ Thema von „Frauen in der Kirche“. Am Ende kommt es – wie so oft in der katholischen Kirche – auf die Zwischentöne an.

Nüchtern betrachtet ist das Interview mit Franziskus nicht voller überraschender oder gar revolutionärer Inhalte. Es verrät viel mehr etwas über die Persönlichkeit des Papstes und bekräftigt einige bereits bekannte Positionen. Doch manche Aussagen haben Katholiken –Bischöfe wie Laien –aufhorchen lassen. Dazu zählt vor allem Franziskus’ Aussage, man müsse die Weihe und den Einsatz von sogenannten „viri probati“ prüfen. Das sind „bewährte“, „erprobte“ – von offizieller Seite als „würdig“ befundene – Männer, die durchaus verheiratete Familienväter sein können. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wird die Forderung nach der Weihe solcher bewährter Männer immer wieder erhoben.

Kein Aus für Zölibat

Klar ist: Franziskus kündigt hier keineswegs eine Lockerung oder gar Aufhebung des Zölibats an. Der mögliche Einsatz von „viri probati“ wird vor allem mit Blick auf „entlegene“ Gegenden gesehen, in denen der Priestermangel das kirchliche Leben zum Erliegen bringen könnte.

Es wäre zwar nicht das erste Mal in der Geschichte der Kirche, dass durch zunächst (lokal) begrenzte Entwicklungen große Veränderungen angestoßen werden und am Ende die Lehre der Praxis folgt. Doch man sollte die Aussagen von Franziskus nicht mit zu vielen Hoffnungen und Erwartungen überfrachten, auch wenn dieser Papst seine Reformen meist auf eher sanfte Weise vorantreibt. Man kann aber davon ausgehen, dass er kein Interview nutzt, um Revolutionäres oder tiefer greifende Reformen auf den Weg zu bringen.

Zudem würde es ein strittiges Thema für viele engagierte Katholikinnen und Katholiken auch nicht zufriedenstellend lösen, wenn „viri probati“ als „Ersatz“ für fehlende Priester geweiht würden. Denn Reformkatholiken geht es darum, dass die Berufung und die Charismen jedes Einzelnen anerkannt und gewürdigt werden – und nicht um Lückenbüßerdienste.

Deutlich sagt der Papst in dem Interview auch, dass der freiwillige Zölibat nicht die „Lösung“ für das Problem Pries termangel sei. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Professor Thomas Sternberg, sagt dazu im Interview mit dem Kölner domradio.de: „Ich finde, dass die Formulierung des Papstes nichts zumacht oder verschließt. Er sagt, dass Gedanken in der Kirche, wie immer in der Geschichte, ihre Zeit und ihren Moment haben.“

Sternberg verweist auch auf etwas anderes – und hier lohnt das genaue Hinsehen wieder. Als es um den Diakonat der Frau geht, den derzeit eine Experten- Kommission prüfen soll, zitiert der Papst einen syrischen Professor damit, dass es nicht die Frage sei, ob es in der Urkirche Diakoninnen gab. Im Umkehrschluss: Die Existenz der Diakoninnen steht auch für Franziskus fest, so Sternberg. „Das ist schon eine ganz wichtige Feststellung. Alles, was sich daraus ergibt, wird man sehen“, sagte er im domradio.de.

Und die Bischöfe? Sie dämpften auf ihrer Versammlung die Erwartungen, die Franziskus’ Worte vielleicht ausgelöst haben. Nichtsdestotrotz sieht sich das reformfreudige Kirchenvolk bestärkt – und fordert seinerseits in Gestalt der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ von den Bischöfen, den Reformkurs des Papstes stärker und deutlicher zu unterstützen – und selbst auch mutiger zu sein, um die Spielräume auszunutzen, die der Papst explizit immer wieder eröffnet, seit er sein Amt vor vier Jahren übernommen hat.

Hildegard Mathies

mit freundlicher Genehmigung des Neuen Ruhr-Worts, unabhängige katholische Wochenzeitung
www.neuesruhrwort.de

Zuletzt geändert am 16­.03.2017