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Veröffentlicht am 10­.01.2017

Januar 2017 - Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

"Klerikalismus treibt die Leute aus der Kirche"

Vorabveröffentlichung aus aktuellem Anlass

Dies, so Radio Vatikan am 13.12.2016, stammt aus der Ansprache des Papstes in der Eucharistiefeier des gleichen Tages, wenige Tage nach der Veröffentlichung der neuen Richtlinien zur Priesterausbildung „Das Geschenk der Berufung“ durch die Klerus-Kongregation, die Franziskus selbst unterzeichnet hat. - Sein Anliegen, dass die „Hirten“ näher bei den Menschen sein sollen, sich nicht für etwas besseres halten und über die „Sünder und Prostituierten“ erheben, ist nicht neu. Aber in den neuen Richtlinien finde ich dieses Anliegen nur sehr mangelhaft bis kontraproduktiv umgesetzt.

Die Überhöhung des zölibatären Priesterbildes besteht weiter, auch die deutliche Ablehnung homosexueller Priesteramtskandidaten oder gar von Frauen im priesterlichen Dienst. Dahinter steht nach wie vor ein Amtsverständnis, ein Priesterbild und eine Lehre, die Klerikalismus regelrecht bedingen: Opfertheologie und die Vorstellung, dass der Priester gleichzeitig als Repräsentant Christi und der Kirche agiert, immer herausgefordert, „sich mit Christus gleich zu gestalten, um den pastoralen Dienst auszuüben“.- Die „Gleichgestaltung mit Christus“, ein Ausdruck der oft im Dokument vorkommt, ist ein Anforderungsziel, das nachgerade zum Klerikalismus einlädt. Denn auch wenn immer wieder beteuert wird, wie wichtig es ist, dass die jungen Männer sich in Demut, Keuschheit, Bescheidenheit und Gehorsam üben, so sollen sie doch zu ganz anderen Menschen als all die anderen gemacht werden. Viele Passagen erwecken so in mir den Eindruck von Richtlinien zur Manipulation von Knaben und jungen Männern, denen so früh wie möglich das besondere ihrer Berufung infiltriert wird.

In dem Dokument gibt es sicher auch positive Aspekte, wie z.B. Schutz Minderjähriger, der künftig ein Thema in der Priesterausbildung sein soll. Vor allem steckt aber sehr viel Angst vor dem Bedeutungsverlust des Klerus drin, dem durch eine schon zum Kitsch neigende Spiritualisierung und frömmelnde Elegien ein Nimbus angeheftet wird, der zwangsläufig zu einer potenzierten Klerikalisierung führt. Eigentlich genau das Gegenteil, was Franziskus erreichen will. - Aber vielleicht ist das ja auch der Plan: Was man nicht verhindern kann, muss man gegen die Wand oder ins Leere laufen lassen. - Darauf sollten wir nicht warten. „Wir sind Kirche“, und das heißt: Wege suchen, Wege gehen, die von einer überlebten hierarchisch geprägten zu einer zukunftsfähigen kooperativen Kirche führen.

Sigrid Grabmeier
Mitglied des Bundesteams der deutschen KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche

Zuletzt geändert am 20­.12.2016