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Veröffentlicht am 13­.06.2016

13.6.2016 - Rhein-Zeitung Neuwied

Die Zukunft der Gemeinde diskutiert

Glaube. Podiumsgespräch beschäftigt sich mit der Rolle der Kirche in der modernen Gesellschaft

Von unserer Mitarbeiterin Regine Siedlaczek

Neuwied. Die Brisanz hätte kaum größer sein können: Unter anderem um die Frage, welche Bedeutung die Kirche in unserer Zeit überhaupt noch hat, ging es bei einem Podiumsgespräch unter der Themenstellung „Gemeinde der Zukunft – Zukunft der Gemeinde“, zu dem das katholische Laienbündnis „Wir sind Kirche“, die Marktkirchengemeinde und die Leserinitiative Publik-Forum eingeladen hatten. Es galt zu erörtern, wo die Kirche aktuell steht, und was man tun kann, um sie wieder zu einem festen Bestandteil des Lebens werden zu lassen. Es ging um den Glauben, um die Menschen, deren Suche nach Orientierung und um die Frage, welche Position die Kirche dabei einnimmt.

Unter der Moderation von Britta Baas vom Publik-Forum und unter Beteiligung des Publikums stellten sich Prof. Josef Freise, Katholische Hochschule NRW, Christoph Nötzel, Evangelische Kirche im Rheinland, und Hanspeter Schladt von „Wir sind Kirche“ vor gut besetzten Reihen der Problematik und diskutierten konfessionsübergreifend über die Frage nach der Zukunft von Kirche, Glaube und Gemeinden. „Die Kirche hat viel von ihrer zentralen Position eingebüßt“, sagt Freise, „dies ist dem stetigen Wandel der Gesellschaft geschuldet.“

Am Rande der Gesellschaft sahen auch Schladt und Nötzel die Kirche. Dies liegt allerdings nicht an den Gläubigen, die nach wie vor nach Orientierung, Halt, Sinn und Zweck in ihrem Leben suchen, wie die beiden Experten ausführten. Vielmehr wirkt der Begriff einer Institution abschreckend. Gepaart mit den Ausgrenzungsmechanismen, die innerhalb der Kirche vorherrschen, fühlen sich vor allem junge Menschen nicht mehr wohl, hieß es. So habe vor allem die katholische Kirche in der Vergangenheit einen Großteil ihrer Glaubwürdigkeit verloren: „Ich erinnere an die finanziellen Skandale, die Missbrauchsgeschichten, die Haltung gegenüber Homosexuellen und Frauen: Das alles ist problematisch“, sagt Schladt.

Und dennoch sehen Freise, Nötzel und Schladt Licht am Ende des Tunnels: „Ganz langsam etabliert sich ein neuer Stil“, befand Freise. Es sagte, man muss das tun, was man selbst für richtig hält, und weniger auf feste Exerzitien achten. „Menschen gehen dorthin, wo sie auf Gleichgesinnte treffen, die ihre Herzenswünsche teilen“, ergänzt Nötzel und sieht damit auch eine klare Zukunft für die Kirche und den Glauben.

Knapp zwei Stunden widmeten sich die Podiumsgäste der Frage nach der Zukunft der Gemeinde. Deutlich ließen sich unterschiedliche Ansätze bei den evangelischen und katholischen Teilnehmern erkennen. Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer allerdings in einem Punkt: Der Glaube ist notwendig zum Leben.

Nötzel brachte es auf den Punkt: „Der Glaube trägt den Menschen und lässt ihn jeden Morgen aufstehen.“ Viele hätten gerade in der heutigen Zeit diesen Antrieb und damit auch den Glauben und die Hoffnung verloren. „Das Evangelium sollte eine Quelle und Motivation für die Menschen sein, ihr Leben nach bestem Wissen und Gewissen zu leben“, sagt Nötzel. „Religion und Glaube sind vielfältig und daher auch zukunftsfähig.“

Erneuerung ist Ziel
Die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ ist aus dem 1995 in Österreich gestarteten Kirchenvolksbegehren hervorgegangen. Sie setzt sich für eine Erneuerung der römisch-katholischen Kirche auf der Basis des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) sowie der darauf aufbauenden theologischen Forschung und pastoralen Praxis ein.

Zuletzt geändert am 15­.06.2016