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Veröffentlicht am 14­.05.2016

14.5.2016 - Neues Ruhr-Wort

„Bis zur Zerreißprobe“ „Wir sind Kirche“ würdigt Kardinal Karl Lehmann

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Die KirchenVolksBewegung „Wir sind Kirche“ würdigt anlässlich seines 80. Geburtstages Kardinal Karl Lehmann als einen „Ausnahmetheologen innerhalb der deutschen katholischen Kirche“. Er habe sich – geprägt vom Jesuiten Karl Rahner – zeitlebens mit großem Engagement für die Erneuerung der Kirche auf dem Kurs des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Würzburger Synode eingesetzt. Wir dokumentieren das Statement von „Wir sind Kirche“:

„Beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) war Lehmann Mitarbeiter des Theologen Karl Rahner und von 1964 bis 1967 dessen wissenschaftlicher Assistent. An der bis heute zukunftsweisenden Arbeit der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland („Würzburger Synode“ 1971- 1975) hat er maßgeblich mitgewirkt, insbesondere zum Thema der Beteiligung der Laien an der Verkündigung, der Sakramentenpastoral, der pastoralen Dienste in der Gemeinde sowie der Verantwortung des Gottesvolkes für die Sendung der Kirche. Von 1969 bis 1983 war Lehmann persönliches Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).

Lehmanns theologische Kompetenz, sein pastorales Gespür, seine innerkirchliche Integrationskraft, sein kirchenpolitisches Geschick und sein gesellschaftspolitisches Engagement sind allgemein unbestritten. Viermal haben ihn die deutschen Bischöfe zu ihrem Vorsitzenden gewählt.

Während seiner Amtszeit als Bischof von Mainz (seit 1983) und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (1987 bis 2008) ist aber auch deutlich geworden, wie sehr sich der Wind in Rom gedreht hat. Mit fundierten theologischen Argumenten hat Lehmann sich in vielen Fragen an Rom gewandt, sich aber gegen die Machteliten in Rom oft nicht durchsetzen können. Papst Johannes Paul II. hat ihn erst am 28. Januar 2001 zum Kardinal ernannt.

Für die Zulassung von geschiedenen Wiederverheirateten zur vollen Teilnahme an der Eucharistiefeier hat sich Lehmann bereits im September 1993 im Hirtenwort der oberrheinischen Bischöfe (gemeinsam mit Dr. Oskar Saier, Freiburg, und Dr. Walter Kasper, Rottenburg-Stuttgart) ausgesprochen, war jedoch sehr bald vom damaligen Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, gestoppt worden. Im jüngsten nachsynodalen Schreiben „Amoris laetitia“ hat Papst Franziskus jetzt, wie damals Lehmann, die Bedeutung der Gewissensentscheidung betont – eine späte Genugtuung.

Im Konflikt zwischen seinem Wunsch nach Reformen und seiner Loyalität gegenüber Rom hat Lehmann sich immer für Letztere entschieden. So zum Beispiel nach dem strikten „Nein“ Roms zum Verbleib in der Schwangerschaftskonfliktberatung, für die er sich ein Jahrzehnt lang bis zur Zerreißprobe eingesetzt hatte. Er unterstützt die Forderungen nach dem Diakonat der Frau, doch stellt er sich – so wie Rom es immer noch fordert – eindeutig gegen das Priesteramt der Frau.

In seine Amtszeit fiel auch das KirchenVolksBegehren, dessen Unterschriftensammlung er – anders als die Mehrheit der deutschen Bischöfe damals – in seinem Bistum nicht untersagt hatte. Die notarielle Niederschrift über die Auszählung der 1845141 gültigen Unterschriften nahm er in einem Gespräch mit den drei Initiatoren am 2. Dezember 1995 entgegen. In der Öffentlichkeit brachte er jedoch den Reformaktivitäten von „Wir sind Kirche“ und anderen Reformgruppen leider zu wenig Wohlwollen entgegen.

Intensiv hat sich Lehmann in all den Jahren um die Ökumene bemüht und sich in der Frage des Kirchenverständnisses deutlich gegen einen Exklusivanspruch der römisch- katholischen Kirche ausgesprochen. Im Gegensatz zu dieser wegweisenden Einstellung unterlag er bei einer anderen Problematik einer gravierenden Fehleinschätzung: Als im Jahre 2001 in den USA das Ausmaß sexualisierter Gewalt durch Kleriker erstmals offenbar wurde, konnte er sich wohl nicht vorstellen, wie sehr auch der Klerus in Deutschland und andernorts davon betroffen sein könnte.

Anfang 2008 trat Kardinal Karl Lehmann aus gesundheitlichen, möglicherweise aber auch aus kirchenpolitischen Gründen von seinem Amt als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz zurück. Es bleibt zu vermuten, dass auch die zunehmenden Divergenzen innerhalb der Bischofskonferenz, vor allem aber die intensiven Auseinandersetzungen mit Rom über die Schwangerschaftskonfliktberatung, über die Ökumene mit den Kirchen der Reformation und über zahlreiche pastorale Fragen über die langen Jahre hin seiner Gesundheit sehr geschadet haben.

Bemerkenswert ist seine jüngste, sehr deutliche Kritik an der Art und Weise der Bischofsbestellung durch Rom „leider auch heute und trotz Papst Franziskus“. Lehmann, der selber viele Jahre Mitglied der Bischofskongregation im Vatikan war, beklagt die „nicht legitimen Seiteneinflüsse“ im Ernennungsverfahren und die Missachtung der Namensvorschläge aus den Bistümern. Damit meint er wohl auch die Vorgänge vor zwei Jahren in Freiburg und in Köln, die auch „Wir sind Kirche“ kritisiert hatte.

Die KirchenVolksBewegung „Wir sind Kirche“ gratuliert dem Mainzer Kardinal Karl Lehmann herzlich zur Vollendung seines 80. Lebensjahres und wünscht ihm weiterhin Gottes Segen, Gesundheit und Kraft, zum Wohle der Kirche zu wirken.“

Zuletzt geändert am 01­.06.2016