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Veröffentlicht am 08­.04.2016

8.4.2016 - Bayerischer Rundfunk

Papstschreiben zu Ehe und Familie veröffentlicht

von Tilmann Kleinjung

Die Erwartungen sind riesig. Die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ sieht in dem Papst-Papier eine „Nagelprobe für die Reformfähigkeit der gesamten Kirche“. Franziskus ist nicht ganz schuldlos an dem Erwartungsdruck.

Mit manchen Äußerungen hat er die Hoffnungen vieler Katholiken auf eine Öffnung der Kirche selbst genährt. Zum Beispiel gegenüber homosexuellen Paaren mit jenem berühmten: "Wer bin ich, darüber zu urteilen?" Oder mit dieser Aussage zu geschiedenen Katholiken, die zum zweiten Mal heiraten.

    "Diese Personen sind nicht exkommuniziert. Und sie dürfen keinesfalls so behandelt werden: Sie bleiben stets Teil der Kirche."
    Papst Franziskus
Keine Kommunion für Geschiedene

Doch Geschiedene, die eine zweite Ehe eingehen, sind bislang vom Empfang der Kommunion ausgeschlossen. Viele gläubige Katholiken empfinden das tatsächlich als Ausschluss aus der Kirche, als Exkommunikation. Die beiden Bischofssynoden, die Papst Franziskus einberufen hatte, berieten über einen Vorschlag des deutschen Kardinals Walter Kasper. Demnach sollen wiederverheiratete Geschiedene nach einer Zeit der Buße und Begleitung wieder zur Kommunion gehen können.

    "Auch Christen können in ihrer Ehe scheitern und leider scheitern sie sehr oft. Und da muss die Kirche präsent sein."
    Kardinal Walter Kasper

Ob sich Kaspers Vorschlag in dem Schreiben des Papstes wiederfindet, darf bezweifelt werden. Zu groß war der Widerstand bei konservativen Bischöfen gegen eine generelle Regelung. Auch Kurien-Erzbischof Georg Gänswein geht davon aus, dass es mit Franziskus keine grundsätzliche Änderung der kirchlichen Lehre geben wird.

    "Es ist ja nicht das erste Mal, dass ein Papst zu dieser wichtigen Frage Stellung nimmt. Seine Vorgänger haben das auch getan. Und ich bin überzeugt, dass er auf der Linie seiner Vorgänger weiterschreitet und in dieser Form auch Aussagen in seinem Lehrschreiben zu finden sein werden."
    Kurien-Erzbischof Georg Gänswein

Keine Revolution bei Sexualmoral

Also keine Revolution der kirchlichen Sexualmoral. Bereits im Abschlussdokument der Synode im vergangenen Herbst wurden umstrittene Fragen nur am Rande gestreift. Zum Thema Homosexualität wiederholten die Bischöfe altbekannte Positionen. Bei Geschiedenen wurde eine Art Einzelfall-Lösung favorisiert: Am Ende müssten es die Betroffenen mit ihrem Gewissen und ihrem Beichtvater ausmachen, ob sie an der Eucharistie teilnehmen wollen. So hatte es die Gruppe der deutschsprachigen Bischöfe mit dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn vorgeschlagen.

    "Es gibt keine Rezepte, es gibt keine Generallösungen. Es gilt hinzuschauen und zu unterscheiden. Deshalb gelten drei Stichworte: Hinschauen, begleiten, unterscheiden."
    Kardinal Christoph Schönborn

Unterscheiden, nicht verurteilen. Dass Schönborn heute in Rom das Schreiben des Papstes vorstellt, kann als Hinweis verstanden werden, in welche Richtung der Papst denkt. Der will laut "Corriere della Sera" die Kommunionzulassung von wiederverheirateten Geschiedenen im Einzelfall nicht ausschließen, aber auch nicht generell ermöglichen. Das Schlüsselwort des Dokuments sei "Integration", meldet die Zeitung.

http://www.br.de/nachrichten/papst-franziskus-vatikan-114.html

Zuletzt geändert am 08­.04.2016