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Veröffentlicht am 27­.10.2015

27.10.2015 - Süddeutsche Zeitung

Moral und Mut

Von Jakob Wetzel

Konkrete Ergebnisse hat die Familiensynode der katholischen Kirche in Rom kaum gebracht - in der Erzdiözese München und Freising stoßen sie dennoch auf ein hoffnungsvolles, wenn auch verhaltenes Echo. Der Abschlussbericht zeige, "dass es nach vorne geht, dass wir bei wichtigen Themen weiterkommen", sagte am Montag Hans Tremmel, der Vorsitzende des Diözesanrats und damit höchste Repräsentant der Laien im Erzbistum. Besonders lobte er, dass das Gewissen des Einzelnen ernst genommen werde: Der Text zeige Wege, wie sich das Gewissen mit der Lehre der Kirche versöhnen lasse. Schwulenverbände dagegen äußerten Kritik an dem Papier.

Seit 4. Oktober hatten in Rom 270 Bischöfe über die Familienpolitik und die Sexualmoral der Kirche diskutiert. Am Samstag verabschiedeten sie ein Kompromisspapier, das eindeutige Festlegungen zu Streitfragen wie etwa dem Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen vermeidet und ihnen allenfalls vage Hoffnungen auf eine Zulassung zur Kommunion macht. Zu Homosexualität schwieg sich die Synode dagegen weitgehend aus.

"Enttäuschend" nennt das Papier deshalb unter anderem der Münchner Theologe Michael Brinkschröder. Er engagiert sich in der ökumenischen Arbeitsgruppe "Homosexuelle und Kirche"; vor 13 Jahren hat er einen regelmäßigen Homosexuellen-Gottesdienst in München etabliert. Von der Synode hätte er sich erhofft, dass es weiter vorangehe, sagte Brinkschröder am Montag. Aber schon während der Synode sei eine Debatte zum Teil unmöglich gemacht worden: "Es gab keine friedliche Diskussion des Themas." Jetzt herrsche eine Patt-Situation. Pessimistisch sei er aber nicht: Für die katholische Kirche sei Homosexualität in einem fortschrittlichen Sinn erst seit dem Antritt von Papst Franziskus überhaupt ein Thema. In den vergangenen beiden Jahren habe sich da schon viel getan. Und die Synodenbeschlüsse ließen der deutschen Kirche Spielräume, sich weiter zu öffnen. Man müsse eben einen Schritt nach dem anderen gehen.

Die deutschen Bischöfe und die Deutsche Bischofskonferenz sieht auch die Reforminitiative "Wir sind Kirche" am Zug. "Wenn wir mutig wären in Deutschland, könnten wir was draus machen", sagte am Montag der Münchner Sprecher der Initiative Edgar Büttner. Das Abschlusspapier lasse an einigen Stellen Spielraum. Ohnehin würde er sich von liberalen Bischöfen mehr Mut wünschen, sich zu äußern.

Das Abschlusspapier der Synode lobte Büttner als "nicht ungeschickt": In der Art und Weise, wie Papst Franziskus die Kirche führe, sei eine Strategie zu erkennen, die Kirche zwar zu erneuern, dabei aber zusammenzuhalten. Natürlich seien nicht alle Erwartungen erfüllt worden. Aber es habe auch niemand einen Nutzen davon, wenn die Kirche auseinanderfalle. 200 Jahre Kirchengeschichte und Jahrzehnte, in denen Sexualmoral zementiert wurde, müssten erst einmal aufgelockert werden. "Das ist wie bei einer Schraube, die halb festgerostet ist: Die muss man erst besprühen, damit sie gelöst wird, und dann dreht man sie langsam raus."

Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, zeigte sich am Montag zwar nicht euphorisch, aber zufrieden mit den Ergebnissen. Die Synode habe viele Freiräume eröffnet, sagte er in München vor Journalisten. Seelsorge sei neu gefordert. "Das mag alles nicht viel sein für manche, aber es ist sehr, sehr viel für den gemeinsamen Weg in der Kirche." Manche Bischöfe seien mit der Haltung in die Synode gegangen, es dürfe sich nichts verändern. Aber um zu dieser Abschlusserklärung zu gelangen, seien daher bereits "mühsame Absprachen" nötig gewesen. Am Ende habe es weder Sieger noch Besiegte gegeben.

Zuletzt geändert am 27­.10.2015