12.10.2015 - Neue Presse
Viel Raum für Reformen
VON PETRA RüCKERL
Der frühere Buchhändler Peter Sutor (67) aus Hannover ist leidenschaftlicher Katholik, Vorsitzender der Katholischen Erwachsenenbildung Region Hannover und Sprecher der Reformbewegung „Wir sind Kirche“ im Bistum Hildesheim.
Papst Franziskus zeigt sich ungewöhnlich offen für Lebenswirklichkeiten. Hat die katholische Kirche mit ihm die Chance, sich zu modernisieren?
Wir sind froh, dass wir diesen Papst haben, müssen aber gleichwohl sehen, dass wir die Erwartungen nicht zu hoch schrauben. Sowohl für die Radikalblockierer als auch die Radikalreformer wird das Ergebnis schlecht ausfallen.
Der Papst ist nicht allein, erwarten Sie tatsächlich Reformen?
Ja, die erwarte ich. Das Reformerische ist, dass jetzt über Themen diskutiert wird, über die bei den vorigen Päpsten nicht mal geredet werden durfte. Und wer das tat, wurde gleich abgestraft.
Geht es um Glaubenssätze?
Nein, die sind unangreifbar. Man kann den Laden gleich zusperren, wenn man etwa die Auferstehung anzweifeln oder Gott in Frage stellen würde. Was aber die pastorale Praxis angeht, das Zugehen auf in Ehen gescheiterte Menschen, da könntet der Papst etwas befördern.
Warum tut sich eigentlich die katholische Kirche so schwer, eine Wiederverheiratung nach einer Scheidung anzuerkennen?
Sicher geht es in der römisch-katholischen Kirche auch um Tradition und Machtfragen. Und auch um das Thema Angst. Angst vor Veränderungen. Mit Blick auf Jesus – und der ist die Mitte unseres Glaubens – ist es aber verheerend, sich von Machtstreben und Angst leiten zu lassen. Der hat das genaue Gegenteil gemacht. Und weil er so mutig, rebellisch und prophetisch war, ist er gestorben. Nicht, um unserer Sünden willen – wie uns immer noch und dauernd eingeredet wird.
Welche Reformen sind am dringlichsten?
Die Angelegenheit der geschiedenen Wiederverheirateten. Dass gerade über dieses Thema mehrheitlich von Menschen entschieden wird, die zölibatär leben, das ist schon ein starkes Stück. Die haben von nichts eine Ahnung, die wissen gar nicht, welche Brüche es heute geben kann. Und argumentieren immer mit Jesus, der angeblich von der Unauflöslichkeit der Ehe eingeschworen hat. Das stimmt überhaupt nicht. Die lügen sich von Grund auf in die Tasche, diese Herrschaften.
Ein katholischer Priester aus Polen hat sich als homosexuell geoutet und seinen Lebenspartner vorgestellt ...
Diese Fakten sind ja längst bekannt, die werden nur ständig unter den Teppich gekehrt. Ich kenne auch Leute, die betroffen sind und denen der Kragen platzt angesichts der Heuchelei – insbesondere mit Blick auf die Tatsache, dass wir Christen der Wahrheit verpflichtet sind. Aber er wurde sofort abgestraft... Die Abstrafung folgte auf dem Fuße. Man behandelt diesen Menschen gleich einem schweren Missbrauchstäter. Aber genau die hat man gar nicht so schnell an den Kanthaken genommen. Sondern nur die, die auf Fehler im System hinweisen.
David Berger sagt, eine Mehrheit der Männer im Vatikan ist schwul, man dürfe dies nur nicht an die große Glocke hängen. Ist das so?
Ich kenne Berger persönlich und ich halte ihn für authentisch. Er hat selbst jahrelang in dem System gearbeitet und seine Homosexualität unter der Decke gehalten. Er sagt auch, diese Kirche ist nicht nur in der mehrheitlichen Zusammenstellung ihrer Priesterschaft homosexuell, sondern gleichzeitig noch in der ganzen Denkweise homophob.
Was sich ja noch dadurch erklärt, dass die Ehe als Zeugungsstätte für Kinder angesehen wird?
Es geht um das biologistische Bild von Sexualität, den reinen Rechtsakt der Eheschließung, aber Liebe, Verlässlichkeit, Verantwortung, Treue kommt da erst einmal gar nicht vor.
Haben Sie schon einmal daran gedacht, aus der katholischen Kirche auszutreten?
Nein, das ist meine Heimat. Ich kämpfe in der Kirchenvolksbewegung seit 20 Jahren um die Verbesserung meiner Heimat. Ich bin gerne Katholik, bereits von Kindheit an. Damals in München haben wir nicht nur fromm gebetet, sondern wir haben Fußball gespielt, getanzt, und ich habe Kirche immer als etwas schönes empfunden. Mein Dialog mit Gott war mir immer etwas wertvolles. Dieser Dialog hat mir in der fürchterlichsten Katastrophe meines Lebens geholfen, als ich meine innigst geliebte Partnerin an den Krebs verloren habe. Was hätte ich da ohne meinen Dialog mit Gott gemacht? Da lasse ich mir von den Dogmatikern, die nicht in die Pötte kommen, die ihr Gehirn nicht gebrauchen, doch meine Kirche nicht vermiesen. Wir brauchen wieder mehr heiligen Geist in dieser Kirche und nicht den unheiligen Geist.
DIE SYNODE
Rom. Mehr als 300 Teilnehmer aus aller Welt beraten über Themen rund um Ehe und Familie in der katholischen Kirche. Die wichtigsten Zahlen und Fakten:
offizieller Titel: „Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“
Teilnehmer: 270 Synodenväter, also Bischöfe aus aller Welt, nehmen an der Synode teil. Dazu kommen 89 weitere Teilnehmer wie Laien oder Experten, etwa Ehepaare, die aus ihrem Alltag berichten.
Herkunft der Bischöfe: 54 Synodenväter stammen aus Afrika, 64 aus Amerika, 36 aus Asien, 107 aus Europa und 9 aus Ozeanien.
Redezeit: Insgesamt 318 der 359 Synodenteilnehmer haben das Recht, sich in den Diskussionen im Plenum zu Wort zu melden, weshalb die Redezeit auf drei Minuten beschränkt ist.
Sprachzirkel: Hier findet wegen der beschränkten Redezeit im Plenum der Großteil der Diskussionen statt. 13 Mal treffen sich 13 nach Sprachen geordneten Gruppen. Neben einer deutschen Gruppe gibt es vier englische, drei spanische, zwei italienische und drei französische Sprachzirkel.
Berichte: Die Berichte der einzelnen Sprachzirkel sollen dieses Mal veröffentlicht werden. Ob auch der Abschlussbericht, der dem Papst übergeben wird, veröffentlicht wird, entscheidet Papst Franziskus.
Zuletzt geändert am 14.10.2015