| |
Veröffentlicht am 28­.09.2015

28.9.2015 - Die Welt

Machtkampf um die Sexualethik droht zu eskalieren

Papst Franziskus muss zusehen, wie die Auseinandersetzung zwischen Reformern und Konservativen die Kirche zu spalten droht. Auf der Synode zur Sexuallehre in Rom könnte der uralte Streit eskalieren.

von Lucas Wiegelmann

...

Auch das liberale Lager ist äußerst umtriebig

Doch die Traditionalisten sind nicht mehr die Einzigen, die vorsorgen wollen. Auch das liberale Lager ist äußerst umtriebig, und die Deutschen spielen dabei eine große Rolle. Der deutsche Kardinal Marx wird international als wichtiger Strippenzieher der Reformer angesehen. Als Mitglied des achtköpfigen Kardinalsgremiums, das Vorschläge für einen Umbau der Kurie erarbeiten soll, verfügt er im Vatikan über großen Einfluss und hat regelmäßigen Zugang zum Papst.

Marx lotete zuletzt diskret Gemeinsamkeiten mit ausländischen Bischöfen aus. Ende Mai luden er und die Vorsitzenden der Schweizer und der Französischen Bischofskonferenz einige Theologen zu einer Tagung nach Rom ein. Enge Verbindungen unterhalten die deutschen Bischöfe unter anderem auch zu den polnischen Bischöfen um Posens Erzbischof Stanisław Gądecki, die eventuellen Lockerungen bei der Familienethik besonders skeptisch gegenüberstehen.

Welches Netzwerk am Ende besser hält, wird sich ab dem 4. Oktober zeigen, wenn sich die 400 Teilnehmer in Rom treffen: Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe, Ordensleute und auch einige Laien. Diskutiert wird in der Audienzhalle Paulo VI. am Rande des Petersplatzes. Zum Auftakt muss jeder stimmberechtigte Teilnehmer ein Drei-Minuten-Statement in der für ihre kräftige Klimaanlage gefürchteten Aula abgeben.

Danach ziehen sich die Delegierten in nach Sprachen getrennte Kleingruppen zurück und erarbeiten Stellungnahmen zu Einzelaspekten, die am Ende wiederum im Plenum diskutiert werden. Wenn im vergangenen Jahr die Diskussion zu hitzig zu werden drohte, ließ der Papst zur Beruhigung argentinische Kekse verteilen.

Für eine Rückbindung der Lehre an das Evangelium

Viele Laien bezweifeln, dass bei dem umständlichen Prozedere Substanzielles herauskommen kann. Die internationale Laienreformbewegung "Wir sind Kirche" hat deshalb einen Appell an die Synodalen gerichtet, dem sich unter anderem die "Wir sind Kirche"-Gruppen aus Deutschland, Italien, Großbritannien, USA und Südafrika angeschlossen haben.

In dem Papier heißt es, die Zeit sei reif "für eine stärkere Rückbindung der kirchlichen Lehre an das Evangelium". Darunter versteht die Laienbewegung unter anderem "ein Überdenken des traditionellen Verständnisses der Unauflösbarkeit der Ehe": "Paare, die zivilrechtlich geschieden und wiederverheiratet sind, sollten nach einer Zeit pastoraler Begleitung an allen Sakramenten teilnehmen und von der christlichen Gemeinschaft mit Freude aufgenommen werden."

Ehemalige Priester, die geheiratet haben, sollten wieder Seelsorgeraufgaben in den Gemeinden übernehmen dürfen. Homosexuelle müssten die Möglichkeit haben, vollwertige Mitglieder der Kirche zu werden. Schließlich glauben die Verfasser zu wissen, dass der Heilige Geist "in Richtung eines Wandels des kirchenamtlichen und pastoralen Umgangs mit all diesen Fragen geht".


...

http://www.welt.de/kultur/article146962180/Machtkampf-um-die-Sexualethik-droht-zu-eskalieren.html

Zuletzt geändert am 30­.09.2015