20.9.2015 - Münchner Kirchenzeitung
Franziskus unter Wölfen?
Vatikanjournalist Marco Politi stellte Papst-Buch in München vor
Natürlich habe ich Sympathie für diesen Papst“, sagt Marco Politi über Franziskus. Aber als Journalist müsse er auch erzählen, „was seinem Projekt im Wege steht“. Und das tut der langjährige Vatikanbeobachter in seinem neuen Buch „Franziskus unter Wölfen“, das er letzte Woche in der Hochschule für Philosophie in München vorgestellt hat. Der Titel klingt plakativ, geht aber auf keinen Geringeren als den Namenspatron des Papstes zurück: Einer Legende nach habe Franz von Assisi nämlich einst zum Wolf von Gubbio gesagt: „Bruder Wolf, du musst dein Leben ändern.“ Darauf sei der Wolf ganz zahm geworden und habe die Hand des Heiligen geküsst, erzählt Politi. „Aber die Gegner von Papst Franziskus werden immer aggressiver.“
Wer sind diese Wölfe, unter denen sich der Papst Politis über 250 Seiten langen Analyse zufolge befindet? Das seien diejenigen, die sich immer dann in der Kirche formieren, „wenn jemand Reformen anfängt“, so der Autor. Und die hat Franziskus ohne Zweifel auf den Weg gebracht, teils auch schon durchgeführt: die umgekrempelte Vatikanbank, die begonnene Kurienreform, zuletzt die beschleunigten Ehenichtigkeits-Prozesse. Und mit Blick auf die Themen der bevorstehenden Synode spricht Politi von „Baustellen“, die „Widerstände produzieren – und das wollte ich beschreiben, damit die Leser verstehen, dass es in einer großen Reformperiode Konflikte gibt.“
Konflikte habe es in der Kirche immer gegeben, so Politi, und verweist auf das letzte Konzil. „Da konnte man auch sehen, wie hart die Meinungen gegeneinander prallten.“ Im Vergleich stellt der Journalist aus Rom aber fest: „Während der Konzilszeit waren die reformfreudigen Kräfte viel aktiver. Heute sehe ich, dass man viel passiver ist.“ Dagegen sei auf bestimmten Websiten für jeden zu sehen, „wie aggressiv der Widerstand“ sei. In seinem Buch schreibt er deshalb: „Er braucht ein Lager von Reformern, das ihm Gehör verschafft.“
Das Netzwerk „Wir sind Kirche“ versteht sich als ein solches Lager und hatte die Buchvorstellung mit einstündigem Vortrag organisiert. Knapp 150 Besucher kamen in die Aula der Jesuiten-Hochschule. Marco Politi versteht sich selbst aber nicht als Parteigänger, sondern „als Beobachter“ und sagt im Interview: „Ich habe auch sehr gute Arbeitsbeziehungen zu Personen, die dem konservativen Lager angehören.“ Alle Seiten seien „froh, wenn man die Schwierigkeiten nicht kaschiert, sondern zeigt, wie es ist.“
Und Franziskus? „Er ist weder naiv noch fatalistisch“, schreibt Politi und kommentiert: „Er hat die Zuversicht, dass – wenn ein Prozess ins Rollen kommt –, am Ende die Kräfte siegen, die eine mehr kollegiale, partizipative Kirche wollen.“ Mit dem Jahr der Barmherzigkeit habe er schon gezeigt: „Die Kirche soll barmherzig sein. Das ist die Kirche, die das 21. Jahrhundert braucht.“ Und dass der Papst ein echter Franziskus des 21. Jahrhunderts ist, hat er mit seiner Umwelt-Enzyklika schon bewiesen. Bleibt also zu hoffen, dass er auch die „Wölfe“ zähmen kann, wie es einst Franz von Assisi gelang.
Simon Berninger
Ein Interview mit Marco Politi können Sie von Montag, 28. September, bis Sonntag, 4. Oktober, Montag, Mittwoch, Freitag und Sonntag um 15 Uhr in der Literatursendung „LesArt“ des Münchner Kirchenradios hören.
Zuletzt geändert am 22.09.2015