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Veröffentlicht am 01­.09.2015

September 2015 - Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

Vorsicht Verdunklungsgefahr

Im deutschen Arbeitsrecht gibt es „Tendenzbetriebe“: Parteizentralen und Gewerkschaften fallen darunter. Auch die r.k. Kirche. Sie kann einem vom Glauben abgefallenen Pfarrer oder eine zum Islam konvertierte Pastoralreferentin entlassen. Das ist sinnvoll, denn man kann ihr nicht zumuten, dass diese weiter im Liturgischen Dienst und in der Glaubensverkündigung tätig sein sollen.

Der Staat erlaubt ihr aber auch, geschiedene Wiederverheiratete oder Homosexuelle zu diskrimineren. Die Kirchen haben auf Grund ihres Selbstbestimmungsrechts dies weiter auf alle ihre Arbeitsbereiche und auch auf die private Lebensführung ausgedehnt – und der Staat hat sich das bislang gefallen lassen. Davon sind allein bei der Caritas mehr als eine halbe Million Beschäftigte betroffen. Das findet in Deutschland keinen Konsens mehr, denn der überwiegende Anteil dieser Beschäftigungen wird fast ausschließlich von der öffentlichen Hand bezahlt. So ist es üblich, dass zur kommunalen und staatlichen Grundfinanzierung von ca. 80 Prozent für eine Erzieherin in einem kirchlichen Kindergarten das nach den Elternbeiträgen noch verbleibende Defizite zusätzlich als freiwillige Leistung zum größten Teil und auf Jahrzehnte hinaus verpflichtend von der Kommune eingefordert und geleistet wird.

23 von 27 dt. Bischöfen unter der Führung von Kardinal Marx haben sich zum 01.08. ein kleines Stück weit auf den Weg in die gesellschaftliche Realität gemacht und die kirchliche Arbeitsordnung gelockert, auch wenn es da noch viele Fragezeichen gibt. Drei Hardliner in Bayern, die Bischöfe Hanke in Eichstätt, Voderholzer in Regensburg und Oster in Passau (vom Marx'schen Widersacher in Rom, Kardinal Müller, fern-gesteuert?) wollen noch weiter prüfen. Letzterem haben 20 seiner Pfarrer einen Brandbrief geschrieben und sich darin beklagt, dass er nicht erkennt, dass es keiner kirchenrechtlichen, sondern einer pastoralen Klärung bedarf. Sie verweisen auf die Diskrepanz zwischen fürsorglicher Liebe bei Geschiedenen und dem Verbot an der Eucharistie teilzunehmen.

Das Konzilsdokument „Gaudium et Spes“ - Die Kirche in der Welt von heute - spricht im Abschnitt 76 eine klare Sprache: „Die Kirche wird sogar auf die Ausübung von legitim erworbenen Rechten verzichten, wenn feststeht, dass durch deren Inanspruchnahme die Lauterkeit ihres Zeugnisses in Frage gestellt ist, oder wenn veränderte Lebensverhältnisse eine andere Regelung fordern.“ Dieses Handeln der Amtskirche verdunkelt aber mehr, als das geschiedene wiederverheiratete Kirchenangestellte angeblich tun.

Sigrid Grabmeier
Bundesteam Wir sind Kirche

Zuletzt geändert am 15­.09.2015