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Veröffentlicht am 03­.08.2015

3.8.2015 - www.oberpfalznetz.de

Laienchefin will für alle da sein

Weiden. Sie ist neue Chefin von rund 250 000 Laien im Bistum, die in 44 Verbänden organisiert sind. Michaela Halter, 51, möchte als Vorsitzende des Diözesankomitees nicht in Regensburg thronen, sondern vor Ort mit allen Menschen das Gespräch suchen - auch mit Kirchenkritikern.

ie Grundschulrektorin aus Großberg ist angetan vom Apfelstrudel im Weidener Café Heinzelmann. Der Tipp kam vom Pfarrgemeinderat Sankt Josef, wo der Auftakt zur neuen Reihe "Diözesankomitee vor Ort" ist. "Ich musste mein Kommen leider absagen", seufzt die Katholikin. "Meine Mutter ist im Krankenhaus, die Situation ist kritisch."

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Ein Miteinander auf Augenhöhe soll bestimmender Akzent ihrer vierjährigen Amtszeit werden. Die Vorsitzende will nicht nur empfangen, sondern zu den Gläubigen kommen. Die Nachfolgerin des CSU-Bundestagsabgeordneten Philipp Graf von und zu Lerchenfeld setzt auf bürgernahen Dialog. Als stellvertretende Bezirksvorsitzende der Katholischen Erziehergemeinschaft ist sie seit 2006 Mitglied im Komitee, seit drei Jahren Stellvertreterin des Grafen. "Mein großer Vorteil ist, dass ich anders als mein Vorgänger in Regensburg wohne und arbeite", sagt die Delegierte des Bistums im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).

Ernst, aber nicht aussichtslos

Die kürzlich veröffentlichten Zahlen der Kirchenaustritte im Jahr 2014, die mit 217 716 deutlich über dem Vorjahreswert von 178 805 und auch über dem Spitzenwert von 181 193 im Krisenjahr 2010 liegen, als die Missbrauchsaffäre die Kirche erschütterte, bereitet Michaela Halter Sorgen. Anders als die Bewegung "Wir sind Kirche", die den Negativtrend in einer Pressemitteilung als "dramatisch" bezeichnet, wertet die gelassene Oberpfälzerin die Lage als "ernst, aber nicht aussichtslos".

Anders als die Oppositionsbewegung "Wir sind Kirche" vermutet Halter die Motive nicht in den heiß diskutierten Themen "Zölibat, Frauenpriestertum oder Umgang mit Wiederverheiraten". Schließlich stehe die Evangelische Kirche in puncto Austritte noch schlechter da, trotz Priesterehe und Pastorinnen. Einem sachlichen Dialog mit Kirchenkritikern darüber, wie sich der Mitgliederschwund stoppen lasse, würde sie sich nicht verschließen. "Ich habe keine Berührungsängste."

Gespannt ist sie, welche Schlüsse der Vatikan aus dem kürzlich ausgewerteten Fragebogen zu Kirche und Lebenswirklichkeit zieht: "Ich denke, es werden konkrete Impulse kommen müssen", hofft sie, "vor allem in Form von Unterstützung für Eltern und Alleinerziehende". Als Grundschulrektorin liegt Halter besonders viel an der Bildung: Wie geht die Pragmatikerin mit der Tatsache um, dass in einer multikulturellen Gesellschaft mehrere Religionen ihre jeweilige Wahrheit verkünden?

"Ich habe schon in meinen ersten Lehrerjahren Erfahrungen an einer Brennpunktschule in Neuburg an der Donau gesammelt", erzählt sie. "In meiner 1. Klasse mit 31 Kindern aus acht Nationen wurden fünf Sprachen gesprochen. Aber was ich dort zurückbekam, war mehr als irgendwo anders." Man müsse die Gemeinsamkeiten der Religionen vermitteln und vor allem: "Wir müssen vorleben, dass man sich gegenseitig schätzt." Ein Vorsatz, den sie zurzeit auch in Regensburg in die Tat umsetzt: "Wir haben der jüdischen Gemeinde unsere Unterstützung für den Bau der neuen Synagoge zugesagt", plädiert sie für Taten statt nur Worte. "Wir möchten ihnen das Gefühl geben, wir sind für Euch da."

Aufreibende Erziehung

"Aber Jesus sprach: Lasset die Kindlein zu mir kommen", (Matthäus 19,14) hat berufsbedingt großen Stellenwert für die Rektorin. Christliche Zukunft ohne Nachwuchs ist nicht denkbar. Überforderte Eltern und Alleinerziehende sehen sich immer öfter zerrieben zwischen steigenden Anforderungen der Leistungsgesellschaft und Bedürfnissen der Kinder: "Ich sehe ihnen an, was zu Hause los ist", sagt die Lehrerin, "angefangen beim verschmierten Nutella-Mund über zerzauste Haaren bis zu den unausgeschlafenen Gesichtern."

Ob Sprösslinge deutscher Familien oder unbegleitete jugendliche Flüchtlinge: "Es ist unsere christliche Pflicht, alle in unsere Gesellschaft zu integrieren." Den Abwehrreflexen der Bevölkerung könne man mit praktikablen Konzepten entgegenwirken: "Man sollte auf das Know-how der Experten vor Ort hören" - es seien oft die kirchlichen Institutionen, wie Caritas und Diakonie, die die meiste Erfahrung hätten.

Bei allem Verständnis für die Ängste mancher Bürger vor sozialem Abstieg, stellt Halter unmissverständlich klar: "Christliches Mitgefühl und Ausgrenzung der Ärmsten vertragen sich nicht."

Einen weiteren Schwerpunkt sieht die bodenständige Katholikin im Schöpfungsgedanken: "Die Enzyklika des Hl. Vaters hat noch einmal klipp und klar die Verantwortung des Menschen für die Umwelt deutlich gemacht." Die kirchlichen Jugendverbände seien in dieser Frage sehr engagiert: "Sie werden nicht müde, den Menschen christlich begründete ökologische Ideen zu vermitteln."

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Zuletzt geändert am 03­.08.2015