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Veröffentlicht am 17­.07.2015

17.7.2015 - Bayerischer Rundfunk

"Jeder Austritt ist ein Austritt zu viel"

Massive Kirchenaustritte 2014

Mit Bedauern, Selbstkritik und Gesprächsangeboten reagieren die Katholischen Bistümer auf die hohen Kirchenaustrittszahlen. Noch nie sind in Deutschland so viele Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten wie im vergangenen Jahr. In der katholischen Kirche geht der Mitgliederschwund auf höhere Austrittszahlen zurück. Schuld seien die neuen steuerlichen Regelungen, heißt es aus Bistumskreisen.

Dramatischer Verlust der Kirchenbindung

Der Freiburger Religionssoziologe Michael Ebertz bewertet den neuen Höchststand der Zahl der Kirchenaustritte gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) als Folge eines rasch voranschreitenden, dramatischen Verlustes der Kirchenbindung in der deutschen Gesellschaft. Ebertz betonte, wissenschaftliche Studien zeigten auch, dass die bisher wichtigsten Gründe für eine Kirchenmitgliedschaft zunehmend an Plausibilität verlören: das soziale Engagement der Kirche sowie das Anbieten von Riten an wichtigen Lebensabschnitten wie Taufe, Trauung oder Bestattung.
"Längst sind dies keine kirchlichen Alleinstellungsmerkmale mehr. So stehen Caritas und Diakonie in direkter Konkurrenz zu nichtkirchlichen sozialen Trägern. Und auch der Markt für frei gestaltete Riten der Lebenswende boomt." Michael Ebertz

Hoffnung auf Papst Franziskus

Nur wenn sich alle deutschen Bischöfe endlich entschieden und aus vollem Herzen zum pastoralen und reformerischen Kirchenkurs von Papst Franziskus und des Konzils bekennen, besteht die Chance, dass dieser Exodus gestoppt oder gar umgekehrt werden kann. Kommentierte die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche"die dramatischen Kirchenaustrittszahlen. Aber auch der Ausgang der Familien-Synode in diesem Oktober würde von vielen als entscheidender Testfall dafür angesehen, ob die römisch-katholische Kirche grundsätzlich erneuerungsbereit und erneuerungsfähig ist oder nicht.

Jeder Fünfte tritt aus

In der katholischen Kirche stieg die Zahl der Austritte um mehr als 20 Prozent auf 217.716 (2013: 178.805). Damit wurde der Negativrekord aus dem Jahr 1992 (rund 192.000) nochmals deutlich überschritten. Laut der am Freitag in Bonn veröffentlichten Statistik der Deutschen Bischofskonferenz hat damit fast jeder hundertste Katholik (0,91 Prozent) 2014 seiner Kirche den Rücken gekehrt.

Kirchenaustritte in Bayern 2014

Diagramm: Katholische Kirchenaustritte Bayern der bayerischen Bistümer 2014 im Vergleich zum

Evangelische Kirche in Bayern trifft es besonders hart

Auch in Bayern ist die Zahl der Kirchenaustritte deutlich höher als im Vorjahr. 2013 traten insgesamt 45.508 Katholiken aus der Kirche aus. 2014 waren es 57.097. Das entspricht einem Anstieg um 25,5 Prozent. Die evangelische Kirche erwischte es noch härter. Nach Auskunft eines Landeskirchensprechers verließen diese 28.400 Personen, 41,5 Prozent mehr als 2013.

Kirchenaustritte in Bayern

Bistum: Austritte 2014 / Zahl der Katholiken
Augsburg: 12.090 / 1.325.316
Bamberg: 5.785 / 696.247
Eichstätt: 3.153 / 405.069
München und Freising: 20.552 / 1.739.444
Passau: 2.740 / 477.405
Regensburg: 7.042 / 1.191.564
Würzburg: 5.735 / 776.130

Zahl der Gottesdienstbesucher leicht gestiegen Bayerische Zahlen

Mit insgesamt fast 24 Millionen Kirchenmitgliedern ist die römisch-katholische Kirche in Deutschland trotz der Austritte weiterhin die größte Religionsgemeinschaft mit einem Bevölkerungsanteil von 29,5 Prozent (2013: 29,9 Prozent). An zweiter Stelle liegen die Landeskirchen der EKD mit deutschlandweit noch 22,6 Millionen Mitgliedern (2013: 23 Millionen). Ihr Anteil sank damit von 28,5 auf 27,9 Prozent.

Die Statistik hält für die katholische Kirche aber auch einen kleinen Lichtblick bereit: Ihre Sonntagsgottesdienste werden wieder besser besucht. Der Anteil der Teilnehmer an der sonntäglichen Messe stieg von 10,8 auf 10,9 Prozent.

Bayerische Zahlen

Zum Jahresende 2014 lebten 6,61 Millionen katholische und knapp 2,46 Millionen evangelische Christen im Freistaat. Das entspricht einem Bevölkerungsanteil von etwa 72 Prozent.

http://www.br.de/themen/religion/kirchenaustritte-katholisch-zahlen-100.html

Zuletzt geändert am 21­.07.2015