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Veröffentlicht am 10­.03.2014

10.3.2013 - epd

Erzkonservativ und fromm

Köln (epd). Fast vier Jahrzehnte war Joachim Meisner Bischof, davon allein 25 Jahre in Köln. Mit der Versetzung des dienstältesten Bischofs in den Ruhestand endet auch eine Ära für den deutschen Katholizismus. Wie kaum ein anderer stand Kardinal Meisner für die konservativen Ansichten und Strömungen in der katholischen Kirche. Kompromisslose und provokante Äußerungen vor allem zu Fragen von Sexualität, Ehe und Familie riefen immer wieder empörte Reaktionen hervor. Eine Umfrage ergab im vergangenen Jahr, dass die meisten Gläubigen bei diesen Themen völlig anders denken.

Umstritten waren vor allem Äußerungen des geborenen Schlesiers, der nie so recht zum liberalen rheinischen Katholizismus passen wollte, zu Homosexualität und Abtreibung. So nannte Meisner 2005 Abtreibungen in einem Atemzug mit dem Holocaust. Kunst ohne Gottesbezug bezeichnete er zwei Jahre später als "entartet". Zuletzt löste Meisner mit einer Einlassung zum Kinderreichtum muslimischer Familien Irritationen aus. Auch in Ökumene-Fragen vertrat Meisner eine harte Haltung und irritierte mitunter seine Gesprächspartner.

Für heftige Debatten sorgte Meisners radikale Ablehnung von Abtreibung und ergebnisoffener Schwangerenkonfliktberatung samt Ausstieg aus dem gesetzlichen Beratungssystem. Mancher Disput landete vor Gericht. Meisner selbst witterte Kampagnen gegen sich selbst oder die katholische Kirche. Er habe lediglich "immer und überall die Freude an Gott bezeugen und vermitteln" wollen, schrieb er in seinem letzten Fastenhirtenbrief im Rückblick auf mehr als ein Vierteljahrhundert als Kölner Erzbischof. Er bitte "alle sehr um Vergebung, wenn Ihnen mein Dienst nicht Stärkung, sondern vielleicht auch Ärgernis war".

Die Nähe Meisners zu einflussreichen konservativen Minderheiten wie Opus Dei, den Legionären Christi oder der Bewegung des Neokatechumenalen Wegs stößt auch unter Katholiken auf Skepsis. Kritiker fordern eine spirituelle und intellektuelle Erneuerung des Erzbistums. Meisner stehe Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils kritisch gegenüber, habe einen "bürokratischen Zentralismus" eingeführt und handle aus einem "autoritären Amtsverständnis, das ergebnisoffene Diskussionen nicht zulässt", hieß es vor einigen Monaten in einem offenen Brief an Papst Franziskus.

Reformorientierte Priester und Diakone haben rund 1.500 Unterschriften für das Ziel gesammelt, Klerus und Laien stärker in die Kandidatenfindung für den künftigen Bischof einzubeziehen, die bislang in der Hand von Domkapitel und Vatikan liegt. Auch die Reformbewegung "Wir sind Kirche" hofft nach der Emeritierung Meisners auf eine Zeitenwende. Der Erzbischof habe dem Ansehen der katholischen Kirche in Deutschland mehr geschadet als zum Glauben eingeladen, meint der Sprecher der Bewegung, Christian Weisner: "Meisner stand für eine absolut linientreue und romhörige Kirche und hat immer wieder den innerkirchlichen Richtungskampf angestachelt".

Meisner selbst hat nach eigenem Bekunden im Rheinland eine zweite Heimat gefunden. Auch im Ruhestand will er in der Nähe des Kölner Doms wohnen bleiben und sich unter anderem der Seelsorge von Ruhestandspriestern und Ordensschwestern widmen.

Geboren wurde Meisner am 25. Dezember 1933 in Breslau. Er wuchs nach der Flucht 1945 mit drei Brüdern im thüringischen Körner auf. Seinen Berufswunsch Priester konnte er zu DDR-Zeiten nach einer Lehre zum Bankkaufmann verwirklichen. Auf dem Magdeburger Priesterseminar Norbertinum holte er sein Abitur nach und studierte Philosophie und Theologie in Erfurt. An der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom promovierte er.

Nach der Priesterweihe 1962 in Erfurt folgte 1975 die Ernennung zum Weihbischof des Bischöflichen Amtes Erfurt-Meiningen. 1980 wurde Meisner Bischof in Berlin und wechselte 1989 als Kölner Erzbischof an den Rhein. Als Nachfolger für den gestorbenen Joseph Höffner war er von Papst Johannes Paul II. gegen den Willen des Kölner Domkapitels nach Köln versetzt worden. Als einen Höhepunkt seiner Amtszeit sieht er den Weltjugendtag 2005 in Köln mit mehreren hunderttausend Jugendlichen an.

Von Gabriele Fritz und Ingo Lehnick (epd)

http://www.epd.de/landesdienst/landesdienst-west/schwerpunktartikel/erzkonservativ-und-fromm

Zuletzt geändert am 11­.03.2014