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Veröffentlicht am 11­.02.2014

11.2.2014 - Ruhr-Nachrichten

Konfession muss stimmen - kein Einzelfall in NRW

Lünen Seit fast anderthalb Jahren hat die katholische Kardinal-van-Galen-Grundschule in Lünen keinen Schulleiter. Mehrfach wurde die Stelle ausgeschrieben. Erfolglos. Einen geeigneten Bewerber gibt es – doch er darf die Stelle nicht besetzen. Die Konfession stimmt nicht. Ein Problem, das es so nicht nur in Lünen gibt.

Der Konrektor wäre bereit, die Leitung an der Bekenntnisschule zu übernehmen, doch er darf nicht – er ist evangelisch. „Gemäß § 26 (6) Schulgesetz gehören Lehrkräfte an Bekenntnisschulen grundsätzlich der jeweiligen Konfession an. Dies gilt natürlich in besonderer Weise für die Leitung einer Schule“, sagt Bettina Riskop, Schulrätin im Kreis Unna und ergänzt: „Natürlich wünschen wir uns eine Besetzung der Stelle."

Immer mehr Menschen ohne Konfession

Kein Einzelfall. Denn kirchliche Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalen haben offenbar zunehmend Probleme, geeignetes Personal für ihre Einrichtungen zu finden. Der Grund: Immer mehr Menschen bekennen sich nicht zu einem Glauben, treten aus der Kirche aus oder sind gar nicht getauft.

In NRW sind aktuell 131 der knapp 1000 Bekenntnisschulen ohne Rektor. Für die katholische Bildungseinrichtung in Lünen sucht die zuständige Bezirksregierung in Arnsberg weiter fieberhaft nach einem geeigneten Kandidaten. Die Erfolgsaussichten allerdings scheinen gering. „Gerade an Bekenntnisschulen gestaltet sich die Suche durch die eingeschränkte Bewerberzahl natürlich etwas schwieriger“, sagt Bettina Riskop.

Arbeitsrechtliche Sonderstellung

Obwohl auch Bekenntnisschulen überwiegend staatlich finanziert sind, räumt das NRW-Schulgesetz ihnen eine arbeitsrechtliche Sonderstellung ein: Für die Leitung ist die entsprechende Konfession Pflicht. Dies gilt auch bei anderen kirchlichen Einrichtungen wie Kindergärten, Pflegeheimen oder Kliniken. Das steht in Widerspruch zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, das eine Religionszugehörigkeit als Einstellungskriterium ausschließt. Den Kirchen wird jedoch eine Sonderstellung per Gesetz zugestanden.

In der Praxis ist dies für die Kirchen kaum realisierbar, da immer weniger Menschen einer Kirche angehören. Gerade für die Leitungen ihrer Einrichtungen beharren die evangelische Diakonie und die katholische Caritas jedoch auf die eigene Konfessionszugehörigkeit.

"Identität wahren"

„Wir wollen unsere Identität wahren“, begründet Harald Westbeld von der Caritas der Diözese Münster. Man achte darauf, dass katholische Einrichtungen als solche wahrgenommen würden, ergänzt die Caritas im Bistum Essen.

„Darüber muss man kritisch diskutieren“, fordert der Bonner Theologieprofessor Hartmut Kreß. „Es ist doch fraglich, warum Mitarbeiter, die fachlich qualifiziert arbeiten und öffentliche Aufgaben erfüllen, zwingend einer bestimmten Konfession angehören sollen. Warum muss sich zum Beispiel ein Oberarzt zu einer Kirche bekennen?“ Ärzte sollten heilen, nicht missionieren, sagt die ehemalige SPD-Spitzenpolitikerin Ingrid Matthäus-Maier.

Verdi: "So etwas geht nicht"

Der finanzielle Eigenanteil der Kirchen liegt deutlich unter 15 Prozent – teilweise sind es null Prozent. Dennoch hätten die Kirchen 100 Prozent das Sagen, kritisiert auch die Gewerkschaft Verdi in Nordrhein-Westfalen. „Sie üben 100 Prozent Hoheit über das Privatleben der dort Arbeitenden aus“, sagt Matthäus-Maier. „So etwas geht nicht.“

Um nur ein Beispiel herauszugreifen: „In einer katholischen Einrichtung ist die Wiederverheiratung nach einer Scheidung nicht zulässig und stellt einen Kündigungsgrund dar“, sagt Theologe Hartmut Kreß. So muss die Leiterin einer katholischen Kindertagesstätte in Rheda-Wiedenbrück zum 31. März ihren Posten räumen, weil sie erneut geheiratet hat. Nicht das erste Mal, das diese Praxis der Kirchen für Schlagzeilen sorgt. Auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften sind in katholischen Einrichtungen nicht akzeptiert. Ein Kirchenaustritt zieht sowohl bei Caritas als auch Diakonie in der Regel die Kündigung nach sich – egal ob Führungskraft, Fachkraft oder Gärtner.

Konfessionalisierung gleich Fundamentalisierung?

Aus Sicht der Reformbewegung „Wir sind Kirche“ der falsche Weg: „Wir müssen aufpassen, dass die Konfessionalisierung nicht zu einer Fundamentalisierung führt“, sagt Sprecher Christian Weisner. Natürlich seien bei Funktionen, die unmittelbar der Verkündigung der Kirche dienen – also bei Pfarrern oder Seelsorgern – strengere Anforderungen an die Befolgung kirchlicher Regeln zu setzen. Für alle anderen Arbeitnehmer kirchlicher Einrichtungen aber müsse der Schutz der persönlichen Grundrechte überwiegen, fordert Theologe Hartmut Kreß.

„Kirchliche Träger nehmen in einigen Städten und Regionen fast Monopolstellung ein“, sagt Kreß. Hier sei daher der Staat gefordert, „den religiösen und weltanschaulichen Pluralismus der Gesellschaft aufzuarbeiten und das Verhältnis zu den Religionen insgesamt neu zu klären.“

Durch die anhaltende Kritik haben auch die Kirchen das Problem erkannt. Die Deutsche Bischofskonferenz hat eine entsprechende Arbeitsgruppe eingerichtet und will in Kürze erste Ergebnisse präsentieren.

Benedikt Reichel, Oliver Brand

http://www.ruhrnachrichten.de/staedte/luenen/Fehlender-Schulleiter-an-Kardinal-von-Galen-Grundschule-Einstellungskriterium-Konfession-kein-Einzel;art928,2273330#plx1455009758

http://www.derwesten.de/staedte/luenen/konfession-muss-stimmen-kein-einzelfall-in-nrw-id8980859.html

Zuletzt geändert am 12­.02.2014