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Veröffentlicht am 30­.07.2013

30.7.2013 - AZ

Franziskus erfüllt die Sehnsucht vieler Menschen

„Wenn jemand homosexuell ist und Gott sucht und guten Willens ist, wer bin ich, über ihn zu urteilen.“ Wenn der Papst solch einen Satz formuliert – was bedeutet er für den Umgang der Kirche mit Schwulen?

Christian Weisner, Sprecher Wir sind Kirche: Das ist ein sehr versöhnlicher Satz, es ist aber auch ein starker Satz, wenn ein Papst sagt: Ich maße mir kein Urteil an, denn das steht eigentlich nur Gott zu. Wenn sich die Aussage auch auf homosexuelle Priester bezogen hat, kann sie nun ein Türöffner sein, mit der Verfolgung Homosexueller durch die Kirche in der Vergangenheit zu brechen. Noch Papst Benedikt hatte ja als eine seiner ersten Amtshandlungen erklärt, dass ein Mensch mit tiefgreifenden homosexuellen Neigungen kein Priester werden könne. Ein Interview über den Lüften im Flugzeug ändert noch kein Kirchenrecht, aber es zeigt, dass Franziskus die Realität und auch die Sexualität seiner Priester wahrnimmt.

Zur Diskussion um weibliche Priester sagte der Papst: „Diese Tür ist geschlossen“…

Weisner: Dieser Satz kann bedeuten, diese Tür ist verschlossen, weil Gott, Jesus oder die Bibel dies nicht wollen. Er kann aber auch den Zungenschlag haben: Mein Vorvorgänger Johannes Paul II. hat zwar diese Tür zur Priesterweihe für Frauen mit einem Lehrschreiben verschlossen, aber wir müssen jetzt gemeinsam nach einem Schlüssel suchen, diese Tür zu öffnen. Es ist keine Wand, sondern eine Tür, die geöffnet werden kann.

Es gibt ja auch Berichte, Bergoglio habe Exorzismus praktiziert, sei konservativer als manche nun schreiben. Wie liberal ist dieser Papst?

Weisner: Mit letzter Sicherheit lässt sich das noch nicht sagen. Er hat die strenge Sexual¬moral in Südamerika verteidigt. Aber jetzt als Papst der Weltkirche täte er gut daran, diese Fixierung auf die Sexualmoral der Verbote aufzulösen und mit seiner Zuwendung zu den Armen der christlichen Botschaft eine ganz neue Richtung zu geben. Ratzinger war der Papst von Glaube und Vernunft – Bergoglio steht für Glaube und Gerechtigkeit. Das ist eine der Fragen, die mich als Jugendlichen zur Kirche gebracht hat, nicht die Frage, ob ich in den Himmel komme! Deshalb ist es auch kein Wunder, dass dieser Papst die jungen Menschen auf dem Weltjugendtag so begeistern konnte. Aber die Botschaft des Papstes „Macht Krach, sorgt für Unordnung“ ist eine Botschaft, die alle Katholiken aufrütteln sollte, nicht nur die Jugend. Während die Amtskirche früher von oben her Ge- und Verbote verordnete, setzt dieser Papst auf: Dialog, Dialog, Dialog! Das ist ein ganz anderes Amtsverständnis, als es sein Vorgänger hatte.

Ist das der Papst, auf dem die Kirchen-Reformer immer gewartet haben?

Weisner: In gewisser Weise ja. Ein wichtiger Schritt war schon Benedikts nicht ganz freiwilliger Rücktritt, der das Amt entscheidend verändert hat. Franziskus ist kein weltferner Theologe wie Benedikt, sondern ist präsent, kann spontan reagieren. Danach sehnen sich die Menschen. Das sind Messias-Erwartungen wie bei Obama. Aber der US-Präsident wird zwischen den politischen Kräften zerrieben - im Hierarchie-System der Kirche lässt sich da eher das Schiff in eine neue Richtung steuern. Aber wir dürfen Franziskus nicht überfordern, wir dürfen nicht nur darauf starren: Was macht er wieder Tolles. 1,2 Milliarden Menschen müssen mitgenommen werden – das ist ein hochkomplizierter Prozess. Nachdem in den letzten 35 Jahren das 2. Vatikanische Konzil wieder zurückgeschraubt wurde und die Kirche konservativer geworden ist, wird es nun sicher ebenso lange dauern, die Kirche wieder in die andere Richtung zu lenken.

Interview: Klaus Rimpel

Zuletzt geändert am 01­.08.2013