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Veröffentlicht am 13­.02.2013

13.2.2013 - Handelsblatt

„Die katholische Kirche ist too big to fail“

Christian Weisner ist Bundessprecher der Bewegung „Wir sind Kirche“. Im Interview erklärt er, warum die katholische Kirche das Rebellische im Christentum wiederentdecken muss - und was der neue Papst dafür tun kann.

von Jan Mallien

Christian Weisner (61)engagiert sich seit der Jugend in der katholischen Kirche. Er gehört zu den Mitinitiatoren der Bewegung "Wir sind Kirche". Vor acht Jahren gab er seinen Beruf als Stadtplaner auf, um sich ganz der Arbeit für die Initiative zu widmen.

Herr Weisner, Wie bewerten Sie die Amtszeit von Benedikt XVI.?

Benedikt hat die Kirche geprägt, wie wohl wenige zuvor. Er war ja nicht nur acht Jahre Papst sondern auch 23 Jahre Präfekt im Vatikan. Allerdings merkt man jetzt auch: Eine Weltkirche mit 1,3 Milliarden Menschen braucht eine Person an der Spitze, die auch delegieren und mitreißen kann. Mit seinem Rücktritt macht er die Grenzen des Papst-Amtes deutlich.

Zuletzt haben die Missbrauchsfälle in der Kirche für große Aufmerksamkeit gesorgt. Was hat Benedikt dagegen getan?

Er hat eine Wende eingeleitet und das Bewusstsein für die Sünde in der eigenen Kirche geschärft. Allerdings kam das sehr spät. Als Präfekt der Glaubenskongregation hat er noch im Jahr 2001 angeordnet, Missbrauchsfälle mit Diskretion zu behandeln.

Vor welchen Herausforderungen steht Benedikts Nachfolger?

Die Anforderungen sind fast übermenschlich. Der Nachfolger braucht einen Blick für die Weltkirche. Die meisten Katholiken leben in Lateinamerika. Er muss sich aber auch um Europa kümmern. Denn der christliche Glaube wird in seinem Stammland nicht mehr verstanden. Die größte Herausforderung aber ist die Reform der Leitung der römischen Kurie. Leider ist Ratzinger hier nicht voran gekommen, obwohl er über 30 Jahre in Rom war.

Benedikt hat seinen Rücktritt mit seinen nachlassenden Kräften begründet. Reicht es, wenn ein Nachfolger mit mehr Kraft an seine Stelle tritt?

Nein, die katholische Kirch muss sich grundlegend verändern. Wir brauchen mehr Dialog und dezentrale Strukturen. Im Moment lastet die Verantwortung für 1,3 Milliarden Katholiken auf einer Person. Das ist falsch und steht im Gegensatz zu den Zielen des Zweiten Vatikanischen Konzils Anfang der 60er-Jahre. Eigentlich sollte die Verantwortung der Bischöfe und der Ortskirchen gestärkt werden. Doch Rom hat alle Macht wieder an sich gerissen. Wir dürfen aber nicht alles Rom überlassen. Jeder Katholik muss mehr Verantwortung übernehmen.

Christian Weisner (61)engagiert sich seit der Jugend in der katholischen Kirche. Er gehört zu den Mitinitiatoren der Bewegung "Wir sind Kirche". Vor acht Jahren gab er seinen Beruf als Stadtplaner auf, um sich ganz der Arbeit für die Initiative zu widmen.

http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/interview-zur-kirchenreform-die-katholische-kirche-ist-too-big-to-fail/7773392.html

Zuletzt geändert am 17­.02.2013