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Veröffentlicht am 14­.09.2012

14.9.2012 - www.kirchenzeitung.de

Eine Kirche, aber keine Einheitskirche

Bischöfe präsentieren beim Dialogforum konkretes Arbeitsprogramm

Hervorhebungen durch Wir sind Kirche

Unter dem Leitwort "Die Zivilisation der Liebe - unsere Verantwortung in der freien Gesellschaft" diskutierten 300 Teilnehmer beim Gesprächsforum in Hannover. Dabei kam mehr auf die Tagesordnung, als viele erwartet hatten.

Die größte Überraschung war der Auftakt. Und so hatten die drei «Steuerungs-Bischöfe» das auch wohl geplant. Münchens Kardinal Reinhard Marx sowie die Bischöfe Franz-Josef Bode (Osnabrück) und Franz-Josef Overbeck (Essen) eröffneten mit jeweils einem Impulsreferat das zweite Dialogforum der Katholischen Kirche in Hannover. Diese waren inhaltlich so stark, dass auch 300 Delegierte nach knapp zwei Tagen Debatte dem kaum etwas hinzufügen konnten. Mehr noch. Die Bischöfe boten keine richtige Angriffsfläche mehr, in den drei Statements waren die wichtigen Streitthemen angesprochen worden. Das war mehr, als viele erwartet hatten.

Natürlich wurden nicht alle Forderungen und Wünsche erfüllt. Aber der Druck war so entwichen, und eine explosive Stimmung mochte sich fortan bei den Delegierten aus den Bistümern und den Vertretern des katholischen Lebens nicht mehr breit machen. So verstrickten sich die Teilnehmer auch in Verfahrensdebatten und bisweilen in den Austausch von Befindlichkeiten. Eine Revolution wollte keiner mehr anzetteln. Der Dialogprozess ist im Alltag angekommen. Bis 2015 wird man weiter reden. Es waren die Bischöfe, die den Prozess angestoßen haben. In der zweiten Runde waren es auch sie, die die entscheidenden Impulse setzten.

Vielleicht war es besonders Bischof Overbeck mit seinem Plädoyer für die Vielfalt innerhalb der Kirche, der von vorneherein einer Frontstellung entgegenwirkte. «Wir bekennen uns im Credo zwar zu der 'einen' Kirche; allerdings sind wir keine Einheitskirche». Zusätzlich betonte er, was auch so im Katechismus steht, dass nichteheliche, aber auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften nicht diskriminiert werden dürfen. Auch wenn das keine Neuigkeiten waren, so wirkten die Worte doch beschwichtigend auf die Stimmung im Saal. Es schälte sich in Hannover heraus, dass Overbeck, Marx und Bode, aber offenbar auch andere Anwesende wie der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki, Münsters Bischof Felix Genn, Limburgs Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst und natürlich der Konferenzvorsitzende Erzbischof Robert Zollitsch - bei aller Treue zum Lehramt und Verschiedenheit im Charakter - gemeinsam ein Kirchenbild der Offenheit und Weite repräsentieren wollen.

Eigener Dialogprozess

Das bischöfliche Arbeitsprogramm, das Triers Bischof Stephan Ackermann am Schluss knapp zusammenfasste, lautet: Reform des Arbeitsrechts, neuer Umgang mit wiederverheiratet Geschiedenen, Frauenförderung und politisches Engagement besonders im Lebensschutz. Was daraus wird, bleibt abzuwarten. Einige Bischöfe fehlten in Hannover, darunter Kardinal Joachim Meisner sowie die Bischöfe Konrad Zdarsa (Augsburg) und Gregor Maria Hanke (Eichstätt). Mit ihnen werden die aus Hannover kommenden Oberhirten nun ihren eigenen Dialogprozess führen müssen. Die anstehende Herbstvollversammlung der Bischofskonferenz wird dazu Anlass bieten.

Bei der Frühjahrsvollversammlung 2013 in Trier, so wurde nun angekündigt, steht beim Studientag das Thema Frauen im Dienst der Kirche auf der Tagungsordnung. Es hat sich offenbar bei den Bischöfen die Einsicht durchgesetzt, dass sich mit der besonderen Förderung von Frauen auch in Leitungsfunktionen der Kirche die leidige Debatte um Weiheämter zwar nicht beenden, ihr aber doch mächtig an Gewicht nehmen lässt. Es ist offenbar ein gewisser Pragmatismus der jüngeren Bischöfe, der sich mehr und mehr durchsetzt, und einen Ausweg aus der durch die Konfrontationen der vergangenen Jahre hervorgegangenen Bewegungslosigkeit sucht.

Dazu gehört besonders, dass die Bischöfe sich vorgenommen haben, das kirchliche Arbeitsrecht zu überarbeiten. Wenn also etwa bei wiederverheirateten Geschiedenen, bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften und möglicherweise auch bei gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften künftig die dogmatischen und moralischen Vorstellungen nicht mehr so stark wie bisher auch in die Beschäftigungsverhältnisse der Kirche durchschlagen, so hätten die Bischöfe einen großen Konfliktherd stillgelegt. Ob Kritiker dies dann als völlige Verweltlichung der Kirche und Verdunkelung des Zeugnisses sehen, bleibt abzuwarten. Overbeck hat dazu in Hannover den Katechismus zitiert: Die Kirche wolle, dass alle Menschen «zum Mitleben mit der Kirche» ermutigt werden.

Von Volker Resing

http://www.kirchenzeitung.de/content/eine-kirche-aber-keine-einheitskirche

Zuletzt geändert am 22­.09.2012