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Veröffentlicht am 27­.02.2012

27.2.2012 - ZEIT ONLINE

Dialog auf katholisch

Auf der Frühjahrkonferenz der Bischöfe geht es auch um den begonnenen innerkirchlichen Dialog. Die bisherigen Erfahrungen sind jedoch ernüchternd.

Der Priester Christian Ammersbach ist ein bescheidener Mensch. Wenn man ihn fragt, was er denn damit meine, dass die katholische Kirche, "dialogischere Umgangsformen" brauche, dann sagt er: "Zum Beispiel, dass man eine Antwort erhält, wenn man einen Brief schreibt."

Darum, wie man miteinander redet, wird es auch gehen, wenn sich in dieser Woche die deutschen katholischen Bischöfe zu ihrer jährlichen Frühjahrs-Vollversammlung treffen. Vor eineinhalb Jahren hatte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, auf dem Höhepunkt des Missbrauchsskandals einen innerkirchlichen Gesprächsprozess ins Leben gerufen. Wie dieser fortgesetzt wird, wollen die Bischöfe nun neben vielen anderen Themen beraten.

Dass es Gesprächsbedarf gibt, daran jedenfalls kann kein Zweifel bestehen. Die Problemfelder sind schnell umrissen. Da ist zum einen die Zahl der Kirchenaustritte, die 2010 infolge der Missbrauchsdebatte mit 181.193 Rekordhöhe erreichte. Ob dies 2011 anders war, lässt sich noch nicht absehen. Es sind noch keine Zahlen veröffentlicht.

Ein Viertel weniger Priester

Zum anderen ist da der chronische Priestermangel. Seit 1990 hat sich die Zahl der katholischen Priester um fast ein Viertel reduziert, die Zahl der Neupriester sinkt ständig. Die Folgen bekommt einer wie Ammersbach täglich zu spüren. Er war sechs Jahre lang Gemeindepfarrer, bevor er Dekanatsjugendseelsorger wurde. Er sagt: "Immer mehr Pfarrer leiden unter Burnout und fallen aus, weil sie viel zu große Räume verwalten müssen."

Dass die Gemeindepfarrer immer weniger präsent sind, könnte zudem ein Grund dafür sein, dass es auch mit der Kirchenbindung der verbliebenen Katholiken immer weiter bergab geht. Besuchten 1990 noch 21,9 Prozent regelmäßig den Gottesdienst, waren es im Jahr 2010 nur noch 12,6 Prozent.

Die Lösungsvorschläge, die für diese Probleme im Umlauf sind, sind eigentlich seit Jahrzehnten die gleichen. Die Aufhebung des Pflichtzölibats, die Einführung des Frauenpriestertums oder zumindest eine Stärkung von Diakonen, also von Geistlichen, die nicht die volle Priesterweihe besitzen, so wie die Zulassung von Diakoninnen sind nur einige von ihnen.

Stuhlkreis mit den Bischöfen

Dass der von Zollitsch angestoßene Gesprächsprozess am Ende zu derart radikalen Ergebnissen kommen wird, ist kaum zu erwarten. Schon vor einem Jahr mahnte Zollitsch, manche Visionen für die Kirche, die derzeit verbreitet würden, müssten "emotional abgerüstet" werden. Und die Konservativen unter den Bischöfen stellten noch vor Beginn des Prozesses fest, Fragen wie eine Lockerung des Zölibats, das Priestertum der Frau oder eine Neubewertung von Homosexualität seien "lehramtlich geklärte Fragen", die deshalb nicht diskutiert werden müssten.

Erschwert wird der Gesprächsprozess außerdem dadurch, dass in den Bistümern jeder Bischof den Dialog so betreibt, wie er das für richtig hält.

Ammersbach, wie gesagt, ist eigentlich kein radikaler Mensch. Zwar hat er sich der liberalen Pfarrerinitiative angeschossen, die den obigen Lösungsvorschlägen nahesteht. Doch anders als das österreichische Vorbild der Initiative haben die deutschen Pfarrer bisher keinen Aufruf zum Ungehorsam unterschrieben. Zu sehr ist man bereit, sich auf den von den Bischöfen angekündigten Dialog erst einmal einzulassen.

Reden reicht nicht

Die Erfahrungen, die Ammersbach bisher gemacht hat, sind jedoch ernüchternd. Seinem Bischof unterstellt er nicht, dass er die Probleme nicht sehe. "Aber er lebt in einer anderen Welt", sagt der 41-Jährige. Sein Oberhirte hoffe, mit dem Gesprächsprozess das Vertrauen der Reformkräfte in die kirchliche Hierarchie zurückzugewinnen. Für Ammersbach ist das eine andere Formulierung für "die Leute auf Linie bringen". Für den Bischof sei offenbar nicht denkbar, dass Dialog auch bedeuten könne, selbst von den eigenen Vorstellungen abzurücken.

Von den Bischöfen erhofft Ammersbach sich nun wenigstens, dass sie endlich klären, wie der Dialogprozess weitergehen soll. Bisher steht nämlich lediglich fest, dass es neben den Gesprächen in den Bistümern auf Bundesebene bis 2015 jährlich einen Kongress geben soll, auf dem dann in einer Runde von etwa 300 Teilnehmern kirchliche und theologische Probleme angesprochen werden können. Der erste Kongress fand im vergangenen Jahr in Mannheim statt. Das Thema des diesjährigen Treffen "Diakonia. Unsere Verantwortung in der freien Gesellschaft" klingt allerdings nicht danach, als solle es dabei allzuviel um innerkirchliche Streitthemen gehen.

Noch ist zudem völlig unklar, wer künftig bei den Veranstaltungen dabei sein darf. Immer wieder andere Teilnehmer oder immer die gleichen? Und vor allem: Was passiert mit den Resultaten? Für Ammersbach steht fest: "Ein netter Austausch reicht nicht. Wir brauchen verbindliche Ergebnisse."

Treffen zum Dampfablassen

Christian Weisner, Mitglied im Bundesteam der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche", sieht die Lage noch weit skeptischer. Für ihn war der erste Bundeskongress im vergangenen Sommer in Mannheim ein "Treffen zum Dampfablassen". Die "Stuhlkreise mit den Bischöfen" seien gut für die Atmosphäre gewesen, wobei die Bischöfe, die vom Dialog nichts halten, gar nicht erst gekommen seien. Die Ergebnisse wurden anschließend ins Internet gestellt "und da ruhen sie jetzt", sagt Weisner.

Wenn sich etwas ändern solle, müssten die Bischöfe die Ergebnisse des Dialogs geschlossen in Rom vertreten, findet er. Doch seine Hoffnung ist begrenzt. Dies habe auch damit zu tun, dass das Bischofskollegium immer konservativer werde. Vor 30 Jahren hätten die Bischöfe selbst noch gefordert, Frauen wenigstens zu Diakoninnen zu weihen. Heute seien sie schon über entsprechende Forderungen irritiert, die sogar vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken mitgetragen würden.


Was der Papst selbst von dem Gesprächsprozess hält, hat er ohnehin schon deutlich gemacht. Als er im September in Deutschland war, erwähnte er den Dialog mit keinem Wort.

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-02/bischofskonferenz

Zuletzt geändert am 28­.02.2012