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Veröffentlicht am 06­.02.2012

6.2.2012 - Main-Netz

Entsetzte Konservative - Wie Aschaffenburger Kirche Besucher in die Messe Lockt

Masken, Mystik, Nebelschwaden Masken, Mystik und weltliche Musik: Mit einem Ü-30-Gottesdienst will die katholische Kirche in Aschaffenburg Neuland betreten und so gegen leere Bänke bei der Messe kämpfen. Am vergangenen Sonntag hat es geklappt. Die Besucher in der St.-Laurentius-Kirche waren begeistert – Konservative Kirchenvertreter hingegen sind entsetzt.

Nebelschwaden wabern durch den Mittelgang der kleinen Kirche. Die Säulen sind grün, blau und rot angestrahlt. Drei Menschen mit Masken laufen durch das Gotteshaus. Sie murmeln Worte in den Raum. Die Szenerie hat etwas von einem modernen Theaterstück auf ungewohntem Terrain. Mit dem ersten Ü-30-Gottesdienst betrat die katholische Kirche am Sonntag in Aschaffenburg tatsächlich Neuland.

»Der Gottesdienst war sehr ansprechend. Die Atmosphäre war schön, die lockeren Lieder passten sehr gut und 18 Uhr abends ist eine super Zeit«, sagt Martina Eisert, die mit ihrem Mann in die St.-Laurentius-Kirche gekommen ist. Ihre beiden Kinder haben sie zu Hause gelassen. Ein regelmäßiger Gottesdienst für Menschen über 30 sei für Eisert und ihren Mann durchaus ein Grund, öfter in die Kirche zu gehen. »Nur jeden Sonntag muss es auch nicht sein. Aber als Zusatzangebot ist das hervorragend«, sagt die 42-Jährige.

Seit Jahren laufen der katholischen Kirche die Mitglieder davon. Allein 2010 traten fast 200.000 Menschen aus der Kirche aus. Und längst nicht alle Gläubigen gehen regelmäßig in den Gottesdienst. Dort sitzen meist nur Kinder und ältere Gläubige. Die Erwachsenen zwischen 30 und 50 Jahren fehlen nach Angaben der Pfarreien-Gemeinschaft »Am Schönbusch«. Als Gegenmittel testet sie daher nun den extravaganten Gottesdienst.

Pfarrer Wolfgang Kempf hält ihn. Er spricht eine einfache Sprache und bezieht sich auf das normale Leben. Es geht um die Masken, die im Alltag getragen werden. Kempf appelliert an die Besucher, sich nicht dahinter zu verstecken. »Vor Gott brauchen wir keine Masken, er nimmt uns, wie wir sind«, sagt er in seiner Predigt. Der Pfarrer mischt die Lesungen gekonnt mit den Elementen eines katholischen Gottesdienstes. Kyrie-Lied, Gloria, Glaubensbekenntnis, Kommunion – nichts fehlt an diesem Abend.

Für den Liturgiereferenten der Diözese Würzburg ist diese modernere Form eines Gottesdienstes kein Problem. Grundsätzlich sollte die Kirche Angebote für alle Zielgruppen haben, sagt Stephan Steger. »Und wenn es dabei gelingt, mit bewusst kleinen Akzenten auch Leute neugierig zu machen, die den Bezug zum normalen Gottesdienst verloren haben, ist das umso besser«, sagt Steger. Wichtig sei jedoch, dass die traditionellen Elemente der Messe vorhanden seien. Für die Bewegung »Wir sind Kirche« ist der Ü-30-Gottesdienst ein Weg in die richtige Richtung. Sprecher Magnus Lux sagt: »Der Mensch kann und soll Gott mit allen Sinnen erfassen.«

Pater Andreas Steiner von der konservativen Pius-Bruderschaft hat einen deutlich strengeren Blick auf den Ü-30-Gottesdienst, in dem Masken, Mystik und weltliche Musik dominierten. »Das geht nicht. Die Messfeier der Kirche ist ja nicht dem Belieben des Einzelnen anheimgestellt. Das entspricht nicht der Heiligkeit der Handlung«, empört sich Steiner und pocht auf das Zweite Vatikanische Konzil, das sich der pastoralen Erneuerung widmet. »Da heißt es, dass niemand der Messe etwas wegnehmen oder hinzufügen darf – nicht einmal ein Priester.« Es sei ein »Laissez-faire« in die Kirche einzogen, gegen das die Bischöfe längst etwas unternehmen müssten.

Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller sieht hingegen keinen Grund für ein Machtwort. »Grundsätzlich ist es nicht schlecht, so gezielt Altersgruppen anzusprechen, obwohl das natürlich auch seine Grenzen haben muss.« Eine direkte Ansprache der jungen Erwachsenen, die gerade im Berufs- und Familienleben angekommen seien, sei wichtig. »Sonst greift immer die Kinderarbeit, die Jugendarbeit und dann noch vielleicht die Ansprache von jungen Ehepaaren und dann kommen schon die Senioren – aber für diese Zwischenzeit haben wir gar nicht so die direkte altersspezifische Ansprache.« Müller warnt jedoch vor Übertreibung: »Es darf nicht am Schluss darauf hinauslaufen, dass wir alles in Sektionen aufteilen.«

In der St.-Laurentius-Kirche hat der Ü-30-Gottesdienst trotz seiner Bezeichnung alle Altersklassen angezogen – vor allem viele ältere Menschen. »Ich wollte mir mein eigenes Bild machen und bin sehr angenehm überrascht. Es war schön und besinnlich«, sagt eine 70-jährige. Christiane Gläser, dpa

http://www.main-netz.de/nachrichten/region/aschaffenburg/aschaffenburg-stadt/stadt/art11846,1982892

Zuletzt geändert am 07­.02.2012