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Veröffentlicht am 26­.09.2011

26.9.2011 Frankfurter Rundschau

"Kirche muss sich entweltlichen"

Papst beendet Deutschland-Besuch

Papst Benedikt XVI. ist wieder Richtung Rom aufgebrochen. Zuvor lehnte er die Modernisierung der Kirche ab und forderte eine "Entweltlichung".

Verabschiedet wurde das Kirchenoberhaupt der Katholiken von Bundespräsident Christian Wulff und dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne).

Bei seiner Verabschiedung sagte der Papst: „Ich möchte die Kirche in Deutschland ermutigen, mit Kraft und Zuversicht den Weg des Glaubens weiterzugehen, der Menschen dazu führt, zu den Wurzeln, zum wesentlichen Kern der Frohbotschaft Christi zurückzukehren.“

Das Kirchenoberhaupt bedankte sich für „erlebnisreiche und bewegende Tage“ in der Heimat: „Mit der Zusicherung meines Gebets für Sie alle und für eine gute Zukunft unseres Landes in Frieden und Freiheit sage ich zum Abschied ein herzliches Vergelt's Gott. Der Herr segne Sie alle!“

Der Bundespräsident dankte Benedikt XVI. herzlich für seinen Besuch. Damit habe er in seiner Heimat unzählige Menschen beschenkt. „Sie haben auf ihrer Reise viele Zeichen gesetzt“, sagte Wulff. Der Papst habe Orientierung gegeben und Dinge angemahnt, die nicht immer bequem seien. Dabei habe er manche Brücke geschlagen. „Wir wünschen uns, dass sie diesen Weg beherzt weitergehen“, erklärte Wulff.

Benedikt XVI. hatte seine Reise am Donnerstag in Berlin begonnen und als erstes Kirchenoberhaupt eine Rede im Bundestag gehalten. Weitere Stationen waren Erfurt und das katholische Eichsfeld in Thüringen. Samstag und Sonntag verbrachte er in Freiburg. Er hielt fünf große Gottesdienste unter freiem Himmel mit rund 300.000 Besuchern.

Rede in Freiburger Konzerthaus
Vor seiner Abreise Papst Benedikt XVI. verlangte von der katholischen Kirche in Deutschland einen Verzicht auf materielle und politische Privilegien. Rufen nach einer Modernisierung der Kirche, nach einer Anpassung an die Gegenwart erteilte der Papst am Sonntag bei einer Rede im Freiburger Konzerthaus eine Absage. Er appellierte stattdessen an die Kirche, auf Distanz zu ihrer Umgebung zu gehen, sich „gewissermaßen zu ent-weltlichen“.

Der Papst verwies auf die Gefahr, dass die Kirche sich in der Welt einrichtet und selbstgenügsam wird. Nicht selten gebe sie Organisation und Institutionalisierung größeres Gewicht als „ihrer Berufung zur Offenheit“.

„Skandale der Verkünder“
Der Papst sprach sich dagegen aus, eine Taktik zu suchen, um der Kirche wieder Geltung zu verschaffen. Zudem wandte er sich gegen ein institutionelles Kirchenverständnis: „Kirche sind nicht nur die anderen, nicht nur die Hierarchie, der Papst und die Bischöfe; Kirche sind wir alle, wir, die Getauften.“

Der Papst ging indirekt auch erneut auf die Missbrauchsskandale durch Geistliche ein und sprach von „schmerzlichen Skandalen der Verkünder des Glaubens“. „Gefährlich wird es, wenn diese Skandale an die Stelle des primären Skandalon des Kreuzes treten und ihn dadurch unzugänglich machen, also den eigentlichen christlichen Anspruch hinter der Unbotmäßigkeit seiner Boten verdecken“.

Abschiedsgottesdienst auf Freiburger Flughafen
Hunderttausend Menschen wollten Benedikt XVI. persönlich sehen und kamen am Sonntag bei strahlendem Sonnenschein zur Freiluftmesse auf den Freiburger Flughafen. Trotz kritischer Stimmen vor seinem Besuch sprach das katholische Kirchenoberhaupt den deutschen Bischöfen sein Vertrauen aus. Doch die Kirche müsse sich von ihrer Verweltlichung lösen. Nach seiner viertägigen Reise durch seine Heimat mit Staatsbesuch in Berlin und weiteren Stationen in Erfurt und Freiburg brach der Papst am Abend in Richtung Rom auf.

In seinem Abschlussgottesdienst rief der Papst die Kirche zur Umkehr auf. Er kritisierte „kirchliche Routiniers, die in ihr nur noch den Apparat sehen“. Benedikt XVI. betonte: „Die Erneuerung der Kirche kann letztlich nur durch die Bereitschaft zur Umkehr und durch einen erneuerten Glauben kommen.“

Der Besuch stieß in Deutschland auf ein geteiltes Echo. Während Zehntausende von Gläubigen begeistert waren, rief die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ Katholiken und Protestanten dazu auf, sich vor Ort zu einer Kirche zusammenzuschließen. Angesichts der „herben Enttäuschungen“ bei der ökumenischen Begegnung des Papstes in Erfurt sollten die Gemeinden „die seit fast 500 Jahren andauernde unsägliche Spaltung der Christenheit für sich als beendet erklären“ (dapd)

Zuletzt geändert am 26­.09.2011