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Veröffentlicht am 22­.09.2011

22.9.2011 Schweizer Fernsehen

Papst besucht Deutschland – Kritik und hohe Erwartungen

Papst Benedikt XVI. wird heute Donnerstag in Deutschland erwartet. Angesichts der Kirchenaustritte und den Missbrauchsskandalen erhoffen sich viele Katholiken von ihrem Oberhaupt klare Botschaften. Doch auch viele kritische Stimmen sind im Vorfeld des Besuchs zu hören.

Zu all den Problemen soll der Pontifex die richtigen Worte finden, Impulse geben, den Weg weisen.

In Berlin trifft er die Kanzlerin und bekennende Protestantin Angela Merkel (CDU) und spricht im Bundestag. Ein Teil der Opposition – etwa 100 der 620 Abgeordneten – wollen der Rede fernbleiben, weil sie das Trennungsgebot von Staat und Kirche missachtet sehen.

«Das ist so kleinkariert und so engstirnig, dass man nur darüber lachen oder weinen kann», sagte der Kölner Erzbischof Joachim Meisner dazu.

Parallel findet eine Demonstration gegen den Papstbesuch statt, dem sich viele der Abgeordneten anschliessen wollen. Die Demo, zu der bis zu 20'000 Teilnehmer erwartet werden, richtet sich gegen die Geschlechter- und Sexualpolitik des Papstes.

Hohe Kosten für Kirche und Staat
Der Deutschland-Besuch von Papst Benedikt XVI. vom 22. bis 25. September kostet allein die katholische Kirche 25 bis 30 Millionen Euro.

Doch auch Kommunen, Bund und Ländern – also dem Steuerzahler – entstehen Millionenkosten. Baden-Württemberg etwa hat für den Einsatz von 4000 Polizisten etwa 5 Millionen Euro in einem Nachtragshaushalt bereitgestellt.

Die Stadt Freiburg lässt sich den Papstbesuch 300'000 Euro kosten - unter anderem für ein Infotelefon und die Paradestrecke für das Papamobil. Die Stadt Erfurt veranschlagt rund eine Millionen Euro, vor allem für Public Viewing und die Feuerwehr.

Die Kirche setzt Protestlern das Motto des Papstbesuchs entgegen: «Wo Gott ist, da ist Zukunft». Um die 260'000 Menschen haben sich zu den grossen Gottesdiensten wie im Berliner Olympiastadion angemeldet.

Vom Missbrauchsskandalen überschattet
Auch die Missbrauchsskandale in der Kirche sind Gründe, dass Benedikt in Deutschland ein kühler Empfang droht. Für den Papst dürfte es schwierig werden, diesem negativen Bild an seinen Reisestationen Berlin, Erfurt und Freiburg etwas entgegen zu setzen.

In Erfurt z.B., wo der Papst am Freitag erwartet wird, plant das linksgerichtete Bündnis «Heidenspass statt Höllenangst» eine Demonstration am Hauptbahnhof, wie ein Mitorganisator sagt.

Schon Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. war bei seinen drei Deutschlandbesuchen auf wachsende Kritik gestossen, auch bei ihm spielte die katholische Sexualmoral eine grosse Rolle. Bei Themen wie der Ablehnung der Homosexualität oder dem Verbot künstlicher Verhütung hat sich die Haltung der Kirche seither nicht geändert.

Kein Dialog
Die katholische Reformgruppe «Wir sind Kirche» vermisst beim Papstbesuch die Chance, Benedikt XVI. auch mit kritischen Themen zu konfrontieren. «Dialog kommt gar nicht vor», sagte Christian Weisner vom Bundesteam der kirchenkritischen Organisation.

Kirchliche Reformgruppen vermissen vom Papst auch beherzte Schritte im Sinne der Ökumene, etwa in der Frage gemeinsamer Abendmahlfeiern.

Weisner kritisierte zudem, dass nach der Rede des Papstes vor dem Bundestag die Abgeordneten keine Fragen stellen dürfen. Dabei sei doch das Parlament «ein genuiner Ort von Debatte und Dialog».

Die Reise des Papstes nach Berlin, Thüringen und Freiburg werde höchstens schöne Bilder liefern. «Am 26. September wird der Papst wieder im Flugzeug sitzen. Und die Frage ist: Wie geht es dann weiter? Wie erreicht die Kirche die Menschen?»

Zuletzt geändert am 22­.09.2011