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Veröffentlicht am 01­.08.2011

August 2011 - Herder Korrespondenz 65 (2011) 385-387

Dialogprozess: Gelungener Auftakt in Mannheim

Stefan Orth

Vor allem atmosphärisch wurde die Auftaktveranstaltung zum Dia-logprozess der deutschen Bischöfe in Mannheim als Erfolg gewertet. Wie aber können die aufgeworfenen Fragen bei den folgenden Ver-anstaltungen ergebnisorientiert bearbeitet werden?

Zumindest für die Bischofskonferenz war es ein völlig neues Veranstaltungsdesign. Es gab keine Vorträge, keine Aussprache, keine Podiumsdiskussion. Lange war gerätselt worden, wie die Auf-taktveranstaltung des „Gesprächsprozesses“, die nach der letzten Vollversammlung angekündigt wurde, gestaltet sein wird – und erst knapp zwei Wochen vorher wurde Genaueres bekannt.

In Mannheim, dem offiziellen Auftakt der Dialoginitiative „Im Heute glauben“, sollte es am 8. und 9. Juli vor allem um den Austausch unter Bischöfen und Diözesanräten, Ordensleuten und Ver-bandsvertretern, Theologen, Mitgliedern geistlicher Bewegungen und anderen Laien gehen. Unter dem Motto „Wo stehen wir?“ waren neben dem geistlichen Spannungsbogen (Auftaktgebet „zum Heiligen Geist“, Lichtfeier am Abend, Morgenlob und Festgottesdienst zum Abschluss) in erster Linie vier Arbeitseinheiten in Kleingruppen geplant, ohne die einzelnen Fragestellungen im Vorfeld zu kommunizieren.

Alle Diözesen hatten Teilnehmer nominiert, daneben konnten etwa das Zentralkomitee der deut-schen Katholiken (ZdK), der Caritasverband, die Militärseelsorge oder der Katholische Fakultäten-tag Delegierte benennen. Die Gruppierung „Wir sind Kirche“ und die „Initiative Kirche von unten“ waren genauso wenig offiziell dabei wie dezidiert konservative Bewegungen, wobei einzelne dort Engagierte aufgrund der Einladung eines Ortsbischofs in die Delegation des Bistums mitdiskutiert haben.

Bischof Franz-Josef Overbeck (Essen), der das Gesprächsforum zusammen mit Kardinal Reinhard Marx (München und Freising) und Bischof Franz-Josef Bode (Osnabrück) vorbereitet hat, räumte in seiner Begrüßung ein, dass die Bischöfe „zugegebenerweise mit solch einem Prozess auf überdiöze-saner Ebene noch so gut wie keine Erfahrungen“ hätten. Deshalb könne es auch nicht wundern, dass nach der „mutigen Idee“ des Vorsitzenden erst einmal untereinander geklärt werde musste, „was ein solcher Dialog- oder Gesprächsprozess eigentlich leisten und wie er gestaltet werden kann“. Ausdrücklich forderte er auch dazu auf, „theologisch verantwortbar und in geistlicher Red-lichkeit all das zur Sprache bringen, was uns im Innersten bewegt, auch wenn uns im Blick auf verbindliche Beschlüsse Grenzen gesetzt sind“.

Mehr Ausstrahlungskraft gewinnen

Als die rund 300 Delegierten im Mannheimer Rosengarten mit ihrer Arbeit begonnen haben, sah das konkret so aus: In einem großen Saal war für 39 Sitzkreise gestuhlt, in denen jeweils acht Gesprächspartner Platz nehmen konnten. Dies geschah zuerst in Gruppen, wo man unter seines-gleichen war und unter Anleitung von zwei professionellen Moderatorinnen mit Blick auf die katholi-sche Kirche in Deutschland über die eigenen Stärken, aber eben auch die Schwächen sprechen sollte. Auch Bischöfe sollen hier überraschend offen und durchaus selbstkritisch dem Plenum von ihrer Runde berichtet haben.

Vor allem aber wurden in der Folge gemischte Gruppen gebildet, jeweils mit einem der gut zwei Dutzend Bischöfe oder Weihbischöfe beziehungsweise dem offiziellen Vertreter der nicht von Bi-schöfen repräsentierten Diözesen. Gerade dieser „Dialog auf Augenhöhe“, bei dem auch die eige-nen Glaubenserfahrungen zum Ausdruck kommen sollten, wurde einhellig als atmosphärisch dicht und wichtig gewertet.

Am Samstagmorgen, als auch die Presse zur Beobachtung geladen war, stand im Mittelpunkt der thematischen Arbeit die Frage, wie die katholische Kirche bis zum offiziellen Endpunkt des Ge-sprächsprozesses, den Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum des Zweiten Vatikanischen Konzils im Jahr 2015, wieder mehr Ausstrahlungskraft gewinnen kann. Die präsentierten Ergebnisse der Gesprächsgruppen, immerhin ein Spiegelbild der breiten Mitte des deutschen Katholizismus, wiesen durchaus beachtliche Schnittmengen zu den so genannten Reizthemen, etwa den Anliegen des Memorandums der Theologen auf (vgl. HK, März 2011, 115ff.).

Unter dem Stichwort „Pastoral der Barmherzigkeit“ wurde besonders häufig die Notwendigkeit for-muliert, neue Lösungen angesichts der Nöte Wiederverheirateter nach einer Scheidung zu finden (vgl. dieses Heft, 389ff.). Oft erhoben wurde auch die Forderung nach mehr Partizipationsmöglich-keiten, insbesondere von Frauen. Insgesamt müsse sich die Kirche in ihrem Handeln stärker an der Realität orientieren.

Kardinal Reinhard Marx hob bei der Kommentierung dieser Präsentation, wobei die Anliegen bemer-kenswert sachorientiert und ohne polemische Spitzen vorgetragen wurden, die Themen mangelnde Sprachfähigkeit, Umgang mit Scheitern und eine stärkere Besinnung auf das allgemeine Priestertum hervor. Auch versprach er, dass die Ergebnisse der Themensammlung in den Gruppen, die vollständig veröffentlicht werden sollen, in den für die nächsten vier Jahre geplanten Dialogprozess einfließen müssen: „Wir nehmen alles ernst“, versprach Marx.

Ein Zeichen der Einheit

Als weiteres Zeichen für die Offenheit dieses Prozesses wurde gewertet, dass die Besetzung der geplanten Abschlusspressekonferenz noch im Verlauf der Veranstaltung verändert wurde, nachdem es Unmut darüber gegeben hatte, dass dort allein die Bischöfe Bilanz ziehen wollen – zumal Zol-litsch und Marx wegen der instinktlos terminierten Beerdigung von Kardinal Georg Sterzinsky in Berlin schon vorzeitig abreisen mussten. Kurzum hatte man den Generalsekretär des ZdK, Stefan Vesper, die kfd-Vorsitzende Maria Theresia Opladen und Miriam Altenhofen, Provinzleiterin der Steyler Missionarinnen (vgl. HK, Juli 2011, 339ff.) als weitere Gesprächspartner für das Podium benannt.

Dort fiel das Echo denn auch einheitlich positiv aus. Bischof Overbeck drückte die Hoffnung aus, dass die beiden Tage von Mannheim „stilbildend für die Kommunikation in der Kirche“ werden könnten und hob gleichfalls hervor, von einer Spaltung innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland könne nicht die Rede sein. Das Treffen sei ein deutliches Zeichen der Einheit gewesen.

Sichtlich gelöst, zeigte sich Bischof Bode zuversichtlich, dass der „Grundwasserspiegel des Vertrau-ens“ gehoben werden konnte. Die Methode habe sich bewährt. Es sei dabei auch deutlich geworden, dass man nicht um Glaubenswahrheiten „feilschen“ wolle, wie manche sich gesorgt hatten. Die auf-geworfenen Fragen allerdings werde man, so Bode, nicht mehr „in die Tube zurückdrücken“ können.

Wie geht es weiter?

Aber wurden nicht auch schon bei der letzten teilweise vergleichbaren Großveranstaltung der ka-tholischen Kirche in Deutschland, der Würzburger Synode in den siebziger Jahren, viele der The-men, die jetzt wieder aufgeworfen wurden, bereits ohne Konsequenzen diskutiert? Bode wies ange-sichts solcher Einwände darauf hin, dass sich nicht zuletzt mit der „großen gemeinsamen Erschüt-terung“ über den Missbrauchsskandal im vergangenen Jahr eine neue geschichtliche Situation er-geben und der Druck noch einmal verschärft habe.

Was immer man in ein paar Jahren über den „Geist von Mannheim“ sagen wird: Im kommenden Jahr wird es bereits die Gelegenheit geben, von diesem Genius loci zu profitieren. Erzbischof Zol-litsch, der ebenfalls die „neue Kommunikations- und Sprachfähigkeit“ lobte und zusagte, dass er diesen Weg weitergehen werde, wollte die Veranstaltung ausdrücklich als Auftakt für den 98. Deut-schen Katholikentag verstanden wissen. Dieser wird im kommenden Mai in Mannheim stattfinden und soll wie der Eucharistische Kongress 2013 in Köln und der Katholikentag im Jahr danach (vgl. dieses Heft, 382f.) offiziell zu den Veranstaltungen des Gesprächsprozesses auf dem Weg zum Konzilsjubiläum gehören. Jedes Jahr wird daneben ein eigenes Gesprächsforum stattfinden.

In diesem Jahr ist das korrespondierende kirchliche Großereignis der Papstbesuch vom 23. bis 26. September. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und die drei Bischöfe der so genann-ten Steuerungsgruppe werden im August nach Castel Gandolfo fahren. Sie werden dort Benedikt XVI. über den Stand des Gesprächsprozesses berichten, so dass der Papst diese Informationen aus erster Hand bei der Endredaktion seiner Ansprachen berücksichtigen kann. Erzbischof Zollitsch hat ferner alle Teilnehmer des Mannheimer Gesprächsforums am Sonntag in das Freiburger Konzert-haus eingeladen, wo Benedikt XVI. seine zweite große Rede neben der vor dem Bundestag zum Beginn seiner Reise halten wird. Es wird erwartet, dass er in Freiburg auf die Situation des deut-schen Katholizismus eingeht. In der Abschlussrunde am Ende des Gesprächsforums wurde auch darauf hingewiesen, dass man in Mannheim intensiv miteinander im Gespräch sein konnte, weil man nicht zu sehr nach Rom ge-schielt habe. Für den nachhaltigen Erfolg des „Mannheimer Ereignisses“ (so Bode in seiner Predigt im Schlussgottesdienst) hängt jetzt Einiges davon ab, inwieweit die gewonnene Ausgangssituation für weitere Gespräche nicht von außen untergraben wird.

Ein gutes Drittel der Bistümer wurde in Mannheim nicht durch einen Bischof oder Weihbischof ver-treten. Es wird nicht zuletzt darauf ankommen, dass es den teilnehmenden Bischöfen gelingt, die gute Atmosphäre der Auftaktveranstaltung dem Gesamt der Bischofskonferenz zu vermitteln, damit die ausgesprochenen Fragen bei den kommenden Veranstaltungen des auf vier Jahre angelegten Gesprächsprozesses auch strukturiert bearbeitet werden können – ohne dass heute schon abzuse-hen wäre, wer wann mit wem worüber bei den Folgeveranstaltungen sprechen wird.

Auch in Mannheim ist von mehreren Seiten daran erinnert worden, dass das Ganze nur sinnvoll ist, wenn der Dialog auch Ergebnisse zeitigen wird. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, warnte noch einmal vor einer „Kultur der Folgenlosigkeit“ (vgl. HK, Mai 2011, 232ff.). Ein Anfang immerhin ist gemacht.

Zuletzt geändert am 28­.07.2011